Liebe Gemeinde,

in den letzten eineinhalb Jahren haben wir viel zusammen gelernt und gearbeitet. Wir haben uns alle ganz gut kennengelernt und haben viel Spaß zusammen gehabt, zum Beispiel auf den beiden Konfirmandenfahrten nach Fulda 2012 und nach Holland 2013. Davon wollen wir Ihnen im heutigen Gottesdienst etwas erzählen und zeigen, was wir dabei gelernt haben. 

Als wir in Holland waren, aber auch in den letzten Unterrichtsstunden, haben wir viel über das Leben von Anne Frank erfahren. Wir haben auch darüber gesprochen, was Annes Geschichte eigentlich mit uns zu tun hat und warum es heute noch wichtig ist, ihre Lebensgeschichte zu kennen. Unsere Gedanken zu diesem Thema und alles, was uns daran wichtig ist, wollen wir Ihnen heute Morgen vorstellen.

Aus dem Leben

Eigentlich heißt sie „Annelies Marie Frank“, aber alle nennen sie nur Anne. Sie wird am 12. Juni 1929 nicht weit von hier, in Frankfurt am Main, geboren. 1933 verändert sich vieles für die Franks und überhaupt für die Juden in Deutschland. Die Partei von Adolf Hitler kommt an die Macht. Er hasst die Juden. Darum verbreitet er Lügen über sie und macht Gesetze, die ihnen Rechte und Freiheiten wegnehmen. Für Juden wird das Leben immer schwieriger. Männer verlieren ihre Arbeit, Kinder müssen in den Schulen getrennt von den anderen sitzen. Und das ist erst der Anfang.

Die Eltern ahnen, dass sie alle in großer Gefahr sind. Sie beschließen, Deutschland zu verlassen. Zuerst zieht Annes Vater in die Niederlande zu Verwandten, weil er dort eine Firma aufbauen kann. Die restliche Familie kann schnell nachkommen. Anne und ihre ältere Schwester Margot finden neue Freundinnen, sie gehen zur Schule und leben sich bald ein.

Manchmal bekommen die Eltern Nachrichten aus Deutschland, die sie sehr erschrecken:
Im November 1938 hören sie, dass Synagogen und Geschäfte zerstört wurden und unzählige jüdische Männer verhaftet und in Konzentrationslager gebracht wurden. Leider ist inzwischen auch Krieg in fast ganz Europa. Am 10. Mai 1940 rücken die deutschen Truppen in die Niederlande ein. 

 

An ihrem 13. Geburtstag bekommt Anne ein Tagebuch geschenkt. Sie freut sich sehr darüber. Sie will jeden Tag etwas hinein schreiben. Das Tagebuch gibt es immer noch. Darum wissen wir viel über Annes Leben. Auch ihre Gedanken und Gefühle hat sie darin aufgeschrieben.

Nur einen Monat nach ihrem Geburtstag muss die Familie Frank untertauchen. Margot hatte Post von den Behörden bekommen: Darin steht, dass sie nach Deutschland gebracht und für die Nazis arbeiten solle. Alle haben Angst, dass ihr dort etwas Schlimmes passiert.

Doch Annes Eltern haben sich schon vorher auf einen Notfall vorbereitet: Im Hinterhaus der Firma ist alles bereit, um dort unterzutauchen. 

Dieses Haus haben wir auf der Konfirmandenfahrt besucht. Heute ist es ein Museum. In dem großen Haus vorne war die Firma von Annes Vater. In einem Raum im Obergeschoß gibt es einen schwenkbaren Schrank, hinter dem ein Durchgang zum Hinterhaus ist. Wir konnten durch diesen Durchgang in das Versteck gehen und die Zimmer ansehen, in denen die Familie Frank und noch vier andere jüdische Menschen zwei Jahre lang versteckt gelebt haben.

Alle müssen sich im Versteck so verhalten, als wenn sie gar nicht da wären: Tagsüber dürfen sie nicht miteinander sprechen, nicht die Wasserleitung benutzen, nicht die Gardinen berühren... Nur wenn abends das Firmengebäude leer ist, dürfen sie etwas lauter sein. Anne schreibt in ihrem Tagebuch oft davon, dass sie schreckliche Angst hat. 

Am 4. August 1944 passiert das, wovor alle so große Angst hatten: Die Polizei erhält einen anonymen Anruf, dass sich in der Prinsengracht Juden verstecken. Die Untergetauchten werden verhaftet und in Konzentrationslager gebracht.

Anne Frank stirbt im Konzentrationslager Bergen-Belsen an Typhus. Da ist sie 15 Jahre alt. Otto Frank hat als einziger von den acht Untergetauchten überlebt. Auch die vier Helfer haben überlebt. Eine von den Helferinnen konnte das Tagebuch retten. Anne hatte einmal geschrieben: Nach dem Krieg will ich auf jeden Fall ein Buch mit dem Titel: „Das Hinterhaus“ herausgeben. Ihr Vater hat das Tagebuch 1947 veröffentlicht.

Besuch eines KZs

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Wir haben auf unserer Fahrt nach Holland auch ein ehemaliges Konzentrationslager in Herzogenbusch besucht. Heute ist es eine Gedenkstätte. Wir haben uns dort die riesigen Schlaf-Baracken angesehen. Uns wurde gezeigt, was für Anzüge die Gefangenen tragen mussten, wie wenig sie zu essen bekamen.  Es ist etwas anderes, selbst an einem solchen Ort zu sein, als nur darüber zu lesen, was da passiert ist. Das geht einem viel näher.

Wir haben viel darüber gesprochen, was Anne Frank damals Schreckliches erlebt hat. Wie wäre es uns ergangen? Wovor hätten wir Angst gehabt? Und wären wir darüber nicht an Gott verzweifelt und hätten unseren Glauben verloren?

Annes Glaube

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Anne Frank hatte während ihrer Zeit im Hinterhaus viele Ängste. Zu Beginn war es die Angst entdeckt zu werden. Dies wurde auch von den Erwachsenen durch ständige Ermahnungen unterstützt. Zudem hatte sie auch Angst vor Flugzeugen und Schießereien.

Da sie zu dem Zeitpunkt noch nicht die besondere Bindung zu Gott hatte, suchte sie nachts bei Schießereien Trost bei ihrem Vater. Später verstand sie aber, dass er ihr keinen Schutz, sondern „nur“ Trost geben konnte. 

Anfang Mai 1943 zweifelte sie sogar an einem guten Ausgang des „Abenteuers“ und fand keinen Ausweg, sich von ihren Ängsten zu befreien. Sie suchte nach dem Sinn des Lebens und nach einem Helfer und Retter. Deshalb bat sie Gott direkt um Hilfe. Mit der Zeit fand sie in ihm den gesuchten Retter und Tröster und er konnte ihr sogar einen Teil ihrer Ängste nehmen.

Im Februar 1944 schrieb sie: „Für jeden, der Angst hat, einsam oder unglücklich ist, ist es bestimmt das beste Mittel, hinauszugehen. Irgendwohin, wo er ganz allein ist, allein mit dem Himmel, der Natur und Gott.“

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Mit dieser Einstellung fand sie ihren Glauben zu Gott und ihre Lebensängste verschwanden. Deshalb forderte Anne in ihrem Tagebuch alle Menschen auf, an Gott zu glauben.

Anne erkannte auch, dass Gott viel näher ist, als die meisten Menschen ahnen. Sie schrieb am 25. März 1944 ihre Angst und ihren Wunsch nach Freiheit in ihrem Tagebuch auf. Sie  drückte ihre Gefühle durch eine selbst erfundene Geschichte aus, die wie folgt geht:

In einer Nacht wird Anne von fürchterlichen Schlägen geweckt. Schnell springt sie auf und stürzt zwischen entsetztem Lachen, Geklirr und Geschrei nach draußen. Hinter sich sieht sie brennende Häuser und kämpft sich durch eine schreiende Menschenmenge.

Während sie flüchtet, denkt sie nicht an ihre Eltern und merkt auch nicht, wie sie ihren Rucksack verliert. Sie läuft nur. Die schreienden und verzerrten Gesichter vor Augen und die Angst um alles stürzen unerwartet auf sie ein. Wie aus einem Traum erwacht sie auf einer Wiese unter klarem Sternenhimmel. Dort gibt es keinen Brand, keine Bomben und keine Menschen. 

Anne legt sich auf die Wiese und fühlt sich befreit von der Angst. Schließlich schläft sie, frei von Gedanken, ein. Es ist Frieden.