Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
liebe Freunde und Förderer unserer Kirche,

Portrait Pfarrer Telder 2018 web

noch oder wieder einmal halten Sie eine Sonderausgabe des Gemeindeblattes in Händen. Noch immer leben wir in einer unsicheren und schwierigen Zeit. Zwar macht sich etwas Entspannung Dank des Impfens breit, aber das Infektionsgeschehen ist immer noch ungewiss. Wohl niemand von uns hat eine solche Zeit bisher erlebt, in der fast alles auf den Kopf gestellt wurde und die Sehnsucht nach der „guten alten“ Zeit zum Grundbedürfnis wurde. Informationen stürzen auf uns ein aus Fernsehen, Radio, Zeitungen und den sozialen Medien, die uns oftmals fragend und konfus zurücklassen. Und genauso fragend und konfus stehen wir als Gemeindeleitung vor verschiedenen Fragen: Welche Gruppen können wir öffnen und welche sollten sich besser noch nicht treffen? Welche Veranstaltungen können wir wagen und welche sind zu risikoreich? 

Was ich an mir selbst überraschend feststelle: ich bin unzufrieden und ungeduldig, aber nicht verzweifelt. Früher sagte man leichthin „ein jeder Tag hat seine eigene Plage“ oder „nach Gewitter kommt wieder Sonnenschein“. Wieso also nicht mit dieser Zuversicht durch diese Zeit gehen? Ja: wir sehen einiges zerbrechen, Familien leiden, die Wirtschaft ächzt an mancher Stelle, aber sollte dies wirklich von Dauer sein? Haben wir als Reformierte den Glauben vergessen, dass Gott für jede und jeden von uns einen Plan hat? Ist Gott in Christus nicht gerade deshalb Mensch geworden, damit wir das Leben in Fülle haben? (vgl. Johannes 10, 10). Fülle gibt es aber nicht ohne Mangel, Freude nicht ohne Leid und Zukunft nicht ohne Vergangenheit. 

wng hanau 2108 01

Die Wallonisch-Niederländische Kirche feiert nächstes Jahr ihr 425-jähriges Bestehen. Darauf verweise ich schon seit einer geraumen Zeit. Und ich empfinde es als einen Segen, dass wir uns mitten in einer Pandemie auf dieses Jubiläum vorbereiten können. Solche Zäsuren sind wichtig, waren es schon immer in der Geschichte unserer Kirche. Auf einer alten Fotoaufnahme, die Sie hier abgedruckt sehen, sind über der Kanzel die Jahreszahlen der Renovierungen eingetragen, die manchen Jahrestagen vorangingen: 1806 zog Napoleon kriegerisch durch Europa, 1852 war die Zeit politischer Umbrüche, 1894 wagte man in Berlin mit Eröffnung des Reichstagsgebäudes erste demokratische Schritte. Das 325-jährige Jubiläum 1922 war zwischen der Spanischen Grippe und der Weltwirtschaftskrise. Das 350jährige Bestehen unserer Kirche feierte man 1947 inmitten der Ruinen der zerstörten Kirche nach dem Zweiten Weltkrieg, wie das andere Bild zeigt. Grund zum Feiern hat es auf den ersten Blick wohl nie gegeben zu den damaligen Zeiten. Oder gerade doch? Was auch geschehen mag, unsere Kirche, unsere Gemeinde und auch unser Glauben bestehen und geben Kraft für die Zukunft, damit wir das Leben in Fülle haben. 

wng hanau 2108 02Mitten aus einer in Trümmer liegenden Gemeinde schrieb Pfarrer Dr. Hans Pribnow (s. A.): „Die Hoffnung bleibt. Was unser Gott geschaffen hat, das will er auch erhalten. Es mag nur Eines in dieser ganzen Welt gewiss sein: die Treue unseres Gottes. Aber dieser Eine ist genug. Darum dürfen wir hoffen. Wir werden auch künftig mit ihm über die zerbrochenen Mauern springen. (…) Weiten Weg sind unsere Gemeinden gegangen: 350 Jahre lang Treue und Wandlung! Die Treue in der Wandlung, das Bleibende im Vergänglichen, das Ewige im Zeitlichen. In dieser Stunde besonders ist viel Wandlung vor unseren Augen. Was bleibt? Wir kennen die drei, die da bleiben: Glaube, Liebe, Hoffnung.“ (Gemeindeblatt 1947) 

Also: blicken wir hoffnungsvoll nach vorne und verlieren wir nicht den Mut und den Glauben, denn irgendwann und irgendwo wird das Leben in Fülle zurückkehren und uns ergreifen. 

Gott habe Acht auf Ihren Glauben und Ihre Wege

Ihr 

Torben W. Telder, vdm - Pfarrer