Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
vor allem Ihr, liebe Jubelkonfirmandinnen, liebe Jubelkonfirmanden,
werte Gäste im Tempel unseres Glaubens,
liebe Konsistoriale im Apostelamt unserer Kirche!
1964, 1959, 1954 und 1949 wurden Sie hier oder in einer anderen Kirche konfirmiert. Das sind die Jahre, in denen 1949 unsere Bundesrepublik gegründet wird, Rosinenbomber gen Berlin eine Luftbrücke bilden und die Nato Schutz für die westliche Welt verspricht. Der Roman 1984 von George Orwell wird veröffentlicht.
1954 kommt die Krim zur Ukraine, in den USA wird die Rassentrennung an den Schulen aufgehoben, Theodor Heuss wird als Bundespräsident wiedergewählt, Burger King eröffnet sein erstes Restaurant und Deutschland wird mit Sepp Herberger in Bern Weltmeister – ein Wunder. Angela Merkel wird geboren.
1959 kommt Fidel Castro auf Kuba an die Macht, Heinrich Lübke wird Bundespräsident, obwohl Konrad Adenauer das auch noch gerne gemacht hätte. Die SPD verabschiedet das Godesberger Programm. Tibet wird von China annektiert und die erste Barbie-Puppe kommt auf den Markt. Günter Grass veröffentlicht seine Blechtrommel und Papst Johannes XXIII lädt zum Zweiten Vatikanischen Konzil ein, was die römische Kirche erneuern wird.
1964 erreichte der Baby-Boom in Deutschland seinen Höhepunkt, Willy Brandt wird Vorsitzender der SPD, Nelson Mandela wandert ins Gefängnis und Martin Luther King erhält den Friedensnobelpreis. Henry Maske und Hape Kerkerling werden geboren, Hans Moser stirbt.
Meine Lieben! Dies ist nur eine Auswahl an Ereignissen in der Welt, während Sie konfirmiert wurden. Jubelkonfirmation ist ja vor allem eine Begegnung mit der eigenen Vergangenheit. Mit Erinnerungen an die eigene Jugend. An den Tag der Konfirmation, die Aufregung und die erwartungsvolle Spannung. An den ersten dunklen Anzug, das erste dunkle Kleid. Noch fremd am eigenen Körper. Alle wie uniformiert, aufgereiht in den Kirchenbänken.
Heute nun das Wiedersehen mit manchen, die damals vielleicht mit in die Kirche einzogen, voran der Konfirmator – in unserer Kirche für alle Jubelkonfirmanden Dr. Priebnow s.A.. Die neuen Gesangbücher in der Hand, die Mädchen mit weißen Maiglöckchen – nicht über der Brust, sondern am Gürtel über einem weißen Taschentuch, da der Pfarrer allergisch auf die Blumen reagierte.
Manches und manche von damals kommt ihnen heute fremd vor. Wie haben Sie alle sich verändert! Graue oder weiße Haare statt blonden oder schwarzen. Falten statt glatter Haut, Falten, die mehrere Jahrzehnte Leben, Anstrengungen und Freuden ins Gesicht gezeichnet haben. Fremd. Nur dass man an sich selbst die Veränderungen nicht so wahrnimmt, wahrnehmen möchte.
Erinnern Sie sich noch an die Predigt Ihrer Konfirmation? Ich mich nicht mehr an meine. Aber ich weiß noch den Konfirmationsspruch, den mir auch ein Dr.-Pfarrer 1990 zugesprochen hat. Den habe ich oft bedacht, dieses Wort der Psalmen: „Weise mir, Herr, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit.“ Auf mich passte der Spruch. Ich bin Pfarrer geworden. Mit Leib und Seele und mit Begeisterung, noch immer auf der Suche nach der Wahrheit für mein Leben, für unsere Zeit, für unsere Kirche.
Wissen Sie Ihren Konfirmationsspruch noch? Wenn nicht, macht das nichts. Ich gebe Ihnen allen heute nämlich einen gemeinsamen. Wir finden ihn am Ende des Predigttextes und er lautet: „Es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht aus Gnade“ (Hebräer 13,9). Dieses Wort gibt mir Anlass, mit Ihnen heute darüber nachzudenken, was Ihr Herz bewegt hat. Und was Sie in Ihrem Herzen bewegt haben.
Im Leben und im Glauben geht es nämlich immer um ein festes Herz. Eines, das immer gleichmäßig und ruhig schlägt. Immer. Auch wenn Herausforderungen und Veränderungen anstehen. Die haben Sie alle vielfältig erlebt.
Vielleicht der erste Alkohol bei der Feier gleich nach der Konfirmation zu Hause. Zeichen dafür, dass Sie nun erwachsen sind. Das meinte man so tun zu müssen!
Ausbildung, Studium, Prüfungen, erste (oder zweite) Liebe, Berufsanfang, Heirat und Ehe. Wohl bei den meisten von Ihnen, den Frauen, das Glück, Kinder zur Welt bringen zu können. Staunen, Freude und Dankbarkeit auch bei den Vätern, aber auch Einschränkungen und Verzicht. Trotzdem: Gnade und Geschenk.
Die Freuden über und die Sorgen um die heranwachsenden Kinder, die ja nie aufhören, auch wenn sie längst erwachsen sind. Und in allem immer die Hoffnung, dass das Herz fest und stark bleibt, die eigene Liebe und die Kräfte ausreichen. Wenn Pläne scheiterten, die Hoffnung flügellahm wurde, wenn nahe Menschen Sie verließen und es am Grab hieß, Abschied zu nehmen.
Wir haben immer zwei Herzen in unserer Brust. Eines, das unser Glück und unsere Freude in den Himmel wirft. Und eines, das uns unruhig und ängstlich macht. Ich weiß nicht, ob Sie es immer geschafft haben, mit eigener Kraft Ihr verzagtes Herz wieder fest zu machen. Wenn eine Krankheit Sie in die Knie gehen ließ. Wenn es einen schwierigen Berufswechsel gab. Wenn Sie überfordert waren und alles über Ihnen zusammenschlug. Als die Kinder aus dem Haus gingen und Sie sie loslassen mussten. Sie lernen mussten, anders und neu miteinander zu leben.
Meine Lieben, Im Leben und im Glauben geht es immer um ein festes Herz. Eins, das sich immer wieder lösen muss vom Vertrauten. Und das Mut braucht, aufzubrechen und sich den Veränderungen zu stellen. Immer geht es um Zuversicht, Hoffnungskraft und Lebensmut. Sie können sicher bestätigen, dass es ein köstlich Ding ist, dass das Herz fest wird. Und längst nicht immer war das Ihr Verdienst und der Lohn Ihrer eigenen Anstrengungen.
Oft staunen wir doch darüber, dass Ängste wie von fremder Hand von uns genommen werden. Oft wundern wir uns, dass Sorgen uns abgenommen werden. Dass sich Befürchtungen als überflüssig erweisen. Das ist dann wie Erlösung. Wir erleben beglückend, dass uns jemand aus Dankbarkeit um den Hals fällt. Dass wir uns unendlich gut fühlen, so als würden wir auf Händen getragen.
Dass jemand voller Zuneigung zu uns sagt: „Schön, dass es dich gibt!“ Das ist dann wie der Himmel auf Erden. Oder Zeichen der Gnade.
Vielleicht konnten Sie auf Missgestimmtheiten mit der Leichtigkeit eines Vogels reagieren. Haben erlebt, dass aus einem harten Nein ein beglückendes Ja zum Leben wurde. Ja, es stimmt: „Es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest wird, was durch Gnade geschieht.“
Jahrzehnte liegen seit der Konfirmation hinter Ihnen. Ich hoffe und wünsche Ihnen, dass Ihr Herz fester geworden ist. Sie müssen jetzt nicht mehr allem Möglichen hinterher jagen. Sie müssen auch nicht mehr alles haben und kaufen wollen. Materielle Dinge und Konsumieren machen das Herz nicht fest. Es ist ein Vorzug des Älterwerdens, dass wir das erkennen.
Sie müssen auch nicht mehr die Angst haben, etwas zu verpassen und gierig alles aus dem Leben herauszupressen. Sie können die Lebensgier besänftigen und bewusster leben. Sie können auf so manches verzichten, was Sie innerlich nicht reicher macht. Inwendiger zu leben, stärker zu werden und zu reifen ist eine große Lebenschance bis zur letzten Minute unseres Lebens.
Auch dass Sie immer noch Neues entdecken können. Und darauf achten, dass das Herz nicht verhärtet, dass Sie nicht starr und unbeweglich im Kopf werden. Die Jahre können die Haut aufrauen. Aber wenn Sie die Lust auf Neues verlieren, haben Sie statt eines festen ein träges und müdes Herz. Sie altern, wenn Sie die Begeisterung aufgeben, Ihrer Neugier Lebewohl sagen und stattdessen das Altern beklagen und den Pessimismus in Ihr Herz einziehen lassen.
Aber solange Sie sich in Ihrem Herzen das Staunen über die Schönheiten des Lebens, den Lebensmut und die Liebe zum Leben bewahren, werden Sie jung bleiben. Denn die Jugend ist kein Lebensabschnitt, sondern ein geistiger Zustand und eine Bewegung eines offenen und mutigen Herzens. Sie können zwar Ihrem Leben nicht mehr Jahre, aber Ihren Jahren, die Gott Ihnen schenkt, mehr Leben geben.
Sie werden dann erfahren, dass Sie das dankbar macht. So wie heute bei unserem Rückblick. Denn Dankbarkeit ist das Geheimnis inneren Reichtums. Und ist auch ein wunderbares und köstlich Ding.
Und darum feiern wir Jubiläumskonfirmation. Nicht, weil wir eine Auszeichnung verdient hätten, sondern weil Gott uns nicht fallen gelassen hat. Darum feiern wir, weil er uns durch manche Not hindurchgetragen hat. Wir feiern und bringen ihm unseren Dank, manche aus frohem Herzen, andere aus wundem Herzen. Er kennt jedes Herz, das sich nach ihm sehnt. So gehören ihm unsere Herzen.
Liebe Jubilare, liebe Geschwister im HERRN! Es ist mir eine Ehre, gemeinsam mit Ihnen heute diesen Gottesdienst zu feiern und gemeinsam das Ja der Konfirmation zu bekräftigen. Die Zeiten des Lebens haben uns geprägt, den einen länger als die anderen. Sicherlich haben wir noch nicht alles im Leben verstanden und oftmals wurde unser Glauben und Gottvertrauen auf die Probe gestellt. Aber dennoch sind wir heute hierher gekommen und haben Gott und seiner Kirche nicht den Rücken gekehrt.
Die Zeiten haben sich geändert und ich hoffe, Sie haben sich mitgeändert – so schließe ich jede Predigt zum Konfirmationsjubiläum. Auch diese unsere Kirche hat sich verändert, Dinge sind nicht mehr so wie früher, aber Sie und ich sind heute ja auch nicht im damaligen Anzug oder Kleid hierher gekommen. Die Welt dreht sich und so lange dies sein wird, darf auch in der Kirche kein Stillstand sein. Dazu Ja zu sagen ist Teil unseres reformierten Glaubens. Nichts Irdisches und Menschliches ist für die Ewigkeit.
Und schließen wir mit dem Predigttext, welchen wir schon zu Anfang gehört haben: „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade (Hebräer 13,9).“
Darauf hoffe ich, davon predige ich und dies bezeuge ich im Namen Jesu Christi. AMEN