Predigttext: Markus 10, 35-45

Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
vor allem Sie, liebe Älteste und Diakone,
liebe Gäste im Tempel unseres Glaubens,

mit diesem Festgottesdienst führen wir das neue Kleine Konsistorium ein und sagen Dank jenen Konsistorialen, die in den vergangenen Jahren treu ihren Dienst versehen haben. 

Nicht alle haben ihre Dienstzeit beenden können: Sie sehen hinter einem Stuhl auf der Ältesten-Seite eine Kerze brennen. Sie erinnert uns an den Ältesten Lutz Oberländer, den wir vergangenen Jahres zu Grabe getragen haben. Auch dies gehört zur konsistorialen Arbeit: neben den Geschäften der Kirche eben auch das Miteinander im Leben.

Mit Lutz Oberländer starb der letzte Konsistoriale, der noch vor meiner Wahl zum 69. Pfarrer an dieser Kirche in das Kleine Konsistorium gewählt wurde – alle anderen traten ihre Dienstzeit während meiner Amtszeit an. 

Wir sind als Kirche sehr dankbar, dass sich drei Frauen und vier Männer bereit gefunden haben, das Amt der Kirchenleitung zu übernehmen beziehungsweise fortzuführen. Und bedanken uns zugleich bei jenen vier weiteren Personen, die zur letzten Wahl kandidiert haben. Fast die Hälfte der Gemeindeglieder haben sich an der Wahl beteiligt – Menschen also, die es uns zutrauen, gemeinsam die Geschicke der Kirche zu regeln.

Das Besondere unserer Wallonisch-Niederländischen Gemeinde ist, und man kann daran nicht oft genug erinnern, dass wir seit 1597 eine selbstständige Kirche sind. Alles also, was wir tun und lassen, haben wir selbst zu verantworten: vor uns selbst, vor dieser unserer Kirche und coram deo, also vor Gott. Was bedeutet es da, das Leitungsamt im Jahr 2014 zu übernehmen?

Meine Lieben, wir haben vorhin im Evangelium des Sonntages gehört, wie Jesus im Gespräch mit seinen Jüngern diese Frage auch angeht – manchmal ist es überraschend, wie nah uns die Texte aus der biblischen Zeit doch kommen, und es tut gut, sich daran zu orientieren.

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Da fragen ihn nämlich zwei seiner Jünger: „Kannst du nicht dafür sorgen, dass wir am Ende der Zeit einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken sitzen können?“

Eine für das Jahr 2014 fast undenkbare Frage, oder? Wer heute in unserer Kirche mitarbeitet, tut dies gewiss nicht, weil er sich damit eine herausragende Position im Himmel verdienen will – abgesehen davon, dass dieser Gedanke der „reformierten Einsicht der unverdienten Gnade“ fremd ist.

Ich wage zu behaupten, dass unsere Konsistorialen konkreter orientiert sind auf die Erfordernisse der Jetztzeit hin und sie sind vielleicht damit dem viel näher, was Jesus für die Seinen will. Damals weist er denn auch das Ansinnen der beiden schroff zurück: „Ihr wisst nicht, was ihr bittet.“ Und stellt die Gegenfrage: „Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde?“

Da antworten die Jünger noch vollmundig: „Wir haben keine Angst vor dem Kelch des Leidens und den Urfluten des Todes.“ Da stockt uns doch der Atem. Wären wir so mutig wie die Jünger damals oder unsere Glaubensvorfahren, die um ihres Glaubens willen aus ihrer Heimat flüchten mussten und nach langer Odyssee hier an dieser heiligen Stelle in dieser selbsterbauten Doppelkirche eine neue geistliche Heimat fanden?

Geschwister im HERRN, unter den Jüngern bricht nun ein Streit aus über die Ungehörigkeit der Fragen ihrer beiden Mit-Jünger. Da nimmt Jesus noch einmal einen Anlauf und erklärt, wer er selbst ist, und worum es in seiner Nachfolge gehen wird: Jesus ändert nicht die grundlegenden Machtverhältnisse in der Welt. Die Herrschenden werden auch nach ihm ihre Völker niederhalten und bestimmen, wo es langgehen soll. 

Aber in der Gemeinschaft der Seinen soll es anders sein. Jesus sagt: „Wer groß sein will unter euch, der sei euer Diener, und wer unter euch will der Erste sein, der sei aller Knecht.“ Und diese Antwort ist nicht etwa aus der Luft gegriffen, sondern Jesus erklärt sie aus bzw. mit seinem eigenen Leben: „Denn auch des Menschen Sohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zur Erlösung für Viele.“

Ganz hart gesagt, meine Lieben, keine mitreißende Perspektive für ein Leitungsamt in der Kirche: Wer leiten will, muss dienen. Populär ist das wahrlich nicht. Und nicht wenige lehnen ja auch deshalb das Mittun in der Gemeinde ab. Es riecht allzu sehr nach Vereinnahmt-Werden, nach hohem zeitlichen, schlecht abgrenzbarem Einsatz, nach unbezahlter Arbeit, Verzicht und vielleicht auch noch nach fehlender Anerkennung. Ja, menschliche Eitelkeit macht auch vor dem Ehrenamt nicht Halt. 

Dennoch möchte ich heute für das Dienen, so wie Jesus es meint, werben, weil es geradezu unverzichtbar ist für ein menschliches Miteinander. Jesus nennt sich selbst als Vorbild des Dienens. 

Als der Gottessohn trug er seine gelebte Verbindung zu Gott in das Leben seiner Welt, in die begrenzte Zeit, die ihm zur Verfügung stand, in die überschaubaren Räume der Landschaft Galiläa und Judäa. Er redete von Gott in den Bildern, die ihm selbst und nur ihm zur Verfügung waren. 

Wenn Menschen ihn zu Worten und Taten herausforderten, ließ er sich darauf ein, rang mit ihnen um die Wahrheit der Gotteserkenntnis, befreite sie von Gebrechen des Leibes und der Seele. 

Für sich selber hielt er Zeiten des Gebetes und der selbstgewählten Einsamkeit. Er sammelte Jüngerinnen und Jünger um sich. Er diente der gesamten Menschheit, indem er ihr den Weg zu Gott eröffnete. In der freiwilligen Hingabe seines Lebens am Kreuz, was wir nicht immer verstehen, schloss er den Graben, die Entfremdung zwischen Gott und der Menschheit. 

Auch wir, meine Lieben, alle haben nur eine begrenzte Zeit und begrenzte Möglichkeiten auf Anforderungen zu reagieren. Wir bringen unsere von Gott gegebene Identität und Befähigung ganzheitlich ein in unsere Aufgaben innerhalb und außerhalb des Konsistoriums. 

Vor allem – so hoffe ich – bringen wir unsere gelebte Gottesbeziehung ein. Es ist einerseits eine hohe Verantwortung, die uns damit zukommt, doch andererseits erleben wir auch eine große Entlastung darin, dass wir eben nicht mit diesem Dienst allein da stehen. Wir sind viele. 

Doch vor allem sind wir in der Nachfolge Jesu. Wir folgen seinen Spuren, die nicht immer den ausgetretenen Pfaden des „das war schon immer so“ folgen, sondern die auch einmal querdenken und querhandeln, die Menschen und Anliegen zusammenbringen. 

Christus motiviert Menschen, die sich herausfordern lassen von aktuellen Entwicklungen und Situationen, Menschen, die um die Ordnung unserer Kirche wissen, aber die auch das Herz am rechten Fleck haben, diese Ordnung anzuwenden. 

Dazu sollen Sie, liebe Konsistoriale mit Ihrem Ja zu Ihrem Amt heute viele ermutigen, ja zu sagen zu einem dienenden Leben. Dabei kann dieser Dienst, in den Gott selbst uns ruft, eben nicht wirklich kontrolliert, eingefordert, abgeprüft, geschätzt und gewogen werden in seiner Effizienz. Was uns als Dienst möglich ist und was uns versagt ist, das bleibt das Geheimnis Gottes, das er in unser begrenztes Leben hineingelegt hat. 

Und nun ein besonderes Wort zu Ihnen, liebe versammelte Gemeinde. 

Wir brauchen Konsistoriale, Leitende ja nur, weil es Sie gibt, liebe Schwestern und Brüder der Gemeinde. Um Ihretwillen, um Ihres Glaubens willen gibt es die Ämter der Verkündigung, der Leitung, der Heilung, des Besuchens, des Helfens und Sorgens. Aus dem Glauben wächst Einzelnen der Mut, Ihnen gegenüberzutreten und Sorge um die gesamte Herde Gottes zu tragen. 

Ja, Carissimi, das Konsistorium soll die Kirche Jesu Christi weiden. Das Konsistorium ist dafür verantwortlich, dass das Evan¬gelium von Jesus Christus in der Kirche nicht verstummt. Die Ältesten und Diakone sollen zur Stelle sein, auch wenn kein Apostel oder Prophet da ist, also wenn die Pfarrstelle nicht besetzt ist oder werden kann! 

Das Konsistorium soll sich darum kümmern, dass Kinder und Jugendliche zum Glauben geführt und mit der Geschichte unserer Kirche vertraut werden. Ja, es ist eine große Notlage, wenn eine Gemeinde kein arbeitsfähiges Konsistorium hat – aus welchen Gründen auch immer! Aber es ist auch ein großer Segen, wenn treue Älteste und Diakone zur Stelle sind. 

Es sind keine einfachen Ämter: das Amt des Ältesten und Diakons. Es sind Ämter, die Treue fordern und die Bereitschaft, der Herde Jesu Christi zu dienen. Aber es sind Ämter, auf denen auch der Segen liegt.

Deshalb, Geschwister im HERRN, liebes Konsistorium, lasst uns den Anspruch einer selbständigen reformierten Kirche bewahren. Lasst uns Menschen unbedingter Hoffnung sein, damit wir stark werden für die Aufgaben und Herausforderungen hier und jetzt, nicht weltfremd, sondern mitten im Leben. Nicht nach den besten Plätzen schielen, nach der meisten Anerkennung, sondern nach dem besten Ergebnis. 

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Denn dazu sind wir miteinander berufen, die Fülle des Lebens und das Vertrauen der Liebe zu leben und einander zu stützen, zu leiten und zu bewahren, wie es uns der Gute Hirte, welcher ist Christus, an seiner statt aufgetragen hat.

Darauf vertraue ich, davon predige ich und dies bezeuge ich im Namen Jesu Christi.

 Pfarrer Torben W. Telder, vdm
– Es gilt das gesprochene Wort –