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Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
vor allem Ihr, liebe Jubelkonfirmandinnen, liebe Jubelkonfirmanden,
werte Gäste im Tempel unseres Glaubens,
liebe Konsistoriale im Apostelamt unserer Kirche!
1964, 1959, 1954 und 1949 wurden Sie hier oder in einer anderen Kirche konfirmiert. Das sind die Jahre, in denen 1949 unsere Bundesrepublik gegründet wird, Rosinenbomber gen Berlin eine Luftbrücke bilden und die Nato Schutz für die westliche Welt verspricht. Der Roman 1984 von George Orwell wird veröffentlicht.
1954 kommt die Krim zur Ukraine, in den USA wird die Rassentrennung an den Schulen aufgehoben, Theodor Heuss wird als Bundespräsident wiedergewählt, Burger King eröffnet sein erstes Restaurant und Deutschland wird mit Sepp Herberger in Bern Weltmeister – ein Wunder. Angela Merkel wird geboren.
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Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
vor allem Ihr, liebe Konfirmanden,
werte Gäste im Tempel unseres Glaubens,
liebe Konsistoriale im Apostelamt unserer Kirche!
Als ob es gestern gewesen wäre. Ihr erinnert Euch sicher auch noch. Da hattet Ihr Euren ersten Kindergartentag – mancher in der Dammstraße, mancher woanders. Da hattet Ihr wohl auch Tränen in den Augen, weil Ihr Euch von Eurer Mama oder Eurem Papa vielleicht für einen ganzen Tag verabschieden musstet. Aber viele von Euch wurden dann in den Armen von Miriam Trapani getröstet, die auch wieder mit uns auf Konfifahrt war. Dann begann der Ernst des Lebens: mit einer Schultüte und einem vielleicht viel zu großen Schulranzen ging es in die Schule.
Und dann begann der Konfirmandenunterricht. Bei Euch vor vier Jahren in der Corona-Zeit, so dass wir am Anfang gar nicht viel Zeit miteinander verbringen konnten. Aber als wir dann richtig eingestiegen sind, musstet Ihr Euch daran gewöhnen, dass ich zu jedem Unterrichtsbeginn erst einmal abgefragt habe, was Ihr denn in der Schule gerade in Religion durchnehmt. Überrascht bis erschrocken war da meistens meine Reaktion.
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Liebe Gemeinde,
besonders natürlich Sie,
lieber Herr Keller und alle Johanniter,
Gäste im Tempel unseres Glaubens,
als ich mich auf diesen Gottesdienst vorbereitete und nach einem passenden Bibeltext suchte, wurde ich von zwei Fragen geleitet: soll es um Leitung und Aufgabenverteilung gehen oder soll es ein Erinnern an die Nächstenliebe sein, die der Ursprung der johannitischen Bewegung im diakonischen Bereich bildet. Ich habe mich für letzteres entschieden, und ein Gleichnis Jesu ausgesucht, welches wir alle wohl kennen und auch die Aufgabenverteilung berührt, aber hören wir es zunächst selbst, es braucht ja gar nicht viel Erläuterung:
Im Lukasevangelium 10. Kapitel, heißt es: Die Frage nach dem ewigen Leben. Der barmherzige Samariter
25 Und siehe, da stand ein Gesetzeslehrer auf, versuchte ihn und sprach: Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe? 26 Er aber sprach zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du?
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Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
liebe Gäste im Tempel unseres
Glaubens,
nun ist das neue Jahr schon einige Tage alt. Es steht unter der Jahreslosung: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Wir haben diesen Vers im Kontext eben als Predigttext gehört.
Einige Ansprachen, Andachten und Predigten habe ich mittlerweile dazu gehört. Und viele gingen vor allem um eines – und um es zu verdeutlichen, habe ich mir einmal eine Requisite mitgebracht: Man muss halt manchmal die rosa Brille aufsetzen, um die Welt lieb zu zeichnen. Man muss in Liebe fünf auch einmal gerade sein lassen und vor allem Liebe verzeiht doch alles und trägt nichts nach. So hat es ja auch Paulus im Hohenlied der Liebe im selben Brief an die Korinther geschrieben.
Aber sind wir einmal ehrlich: wir können nicht immer mit einer rosa Brille im Leben herumlau-fen. Und so schön es wäre, in einer Welt voller Liebe zu leben, die Realität ist eine andere. Hat dies der Apostel Paulus etwa übersehen? Ist er etwa blind vor Liebe vor den Herausforderungen?
Ich bin der Jahreslosung im Kontext gefolgt und stellte etwas Erschreckendes fest. Hierin geht es gar nicht um Flower-Power und Friede, Freude, Eierkuchen. Ganz im Gegenteil – Paulus hat ein ernstes Anliegen.
Um das zu verdeutlichen, ist mir ein verstorbenes Gemeindeglied eingefallen, das mir über Jahre hinweg zur Herausforderung wurde. Sie litt an einer seltenen Krankheit: Narkolepsie – eine Art Schlafkrankheit. Bei ihr äußerte sie sich, dass sie plötzlich von einer Schlafattacke heimgesucht wurde.
Dies konnte sogar mitten während eines Gesprächs passieren. Aber auch während eines Spaziergangs auftreten. Zum Glück hatte sie einen Rollator und lief dann einfach mit geschlossenen Augen und fast ohne Bewußtsein weiter. Es ist nie etwas passiert, aber was wäre gewesen, wenn sie einmal vor ein Auto gelaufen oder in den Main gefallen wäre?
Vielleicht hatte der Apostel solche Menschen im Blick, als er seinen Brief formulierte. Nicht kör-perlich Betroffene, sondern Menschen mit einer spirituellen Schlafkrankheit: sie liefen irgend-wie durch ihr Leben und verschliefen doch die christliche Botschaft.
Spirituelle Schlafwandler sind sich oft der spirituellen Gefahren, die sie umgeben, völlig unbe-wusst, und was sie nicht wissen, kann ihnen und anderen schaden.
Das war es, worüber sich der Apostel Paulus bei den Korinthern beklagte, als er seinen ersten Brief an sie Mitte 50 n. Chr. abschloss. Ich stelle mir vor, dass er sich, als er den Brief abschloss, überlegte, was er seinen Geschwistern im Glauben sagen solle, um zu verhindern, dass sie noch weiter von Christus entfernten.
Denn die Gemeinde in Korinth war durchaus eine Herausforderung: Es gab Streit darum, wann eine Taufe gültig sei und ob es vom Taufenden abhinge. Dann gab es Ärger um das Heilige Abendmahl: während manche nichts mehr zu essen bekamen, waren andere schon satt und betrunken, bevor die Mahlfeier überhaupt anfangen konnte. Sie nahmen es mit der Moral nicht so ernst und nach damaligen Verständnis gab es einige Ausschweifungen. Und vor allem relativierten sie den Kreuzestod Christi und stellten ihre eigene Weisheit über Gott und waren auch noch stolz darauf.
Da muss sich der Apostel doch gedacht haben, dass diese Korinther einen sehr leichten Blick auf ihr geistliches Leben nahmen und vor allem dass sie wie Schlafwandler durch das Leben gingen, als gäbe es keine wirklichen Gefahren für ihren eingeschlagenen Weg des Glaubens.
Und deshalb beginnt unser heutiger Predigttext mit seiner Aufforderung: (V.13) „Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark!“ Aufwachen hieß es für die Korinther und ich meine, dass auch für unsere Zeit, in der alle Kirchen und Gemeinden sich in einer Krise oder Umbruchszeit befinden, diesen Ruf zur Wachsamkeit nötig haben.
Denn die Kirche in Korinth ging verschlafen ihren Weg durch ihr geistiges Leben und er-kannte dabei nicht, dass diese Welt und die unsichtbare spirituelle Welt voll von Versuchungen und ja, so möchte ich es nennen: auch böser Geister war. Sie waren geistig nicht wachsam gewesen. Ihr laxer Umgang mit dem Christentum und die geistlichen Gefahren in ihrem heidni-schen Klima hatten zu Stolz, Spaltungen unter ihnen, Cliquen, Rechtsstreitigkeiten, Götzen-dienst, Ausschweifungen und dem Missbrauch spiritueller Gaben und der Verwicklung in fal-sche Lehren geführt.
Deshalb ermahnt er die Korinther: „Seid auf der Hut und aufmerksam, steht im Glauben, seid mutig und stark! Und lasst alles, was ihr tut, in Liebe geschehen.“ Dieses „seid wachsam“ gilt bis heute. Denn die Welt, die uns umgibt, mit ihren politischen und wirtschaftlichen Systemen, versuchte und versucht noch immer – vielleicht stärker denn je – den christlichen Glauben an den Rand zu drängen oder für eigene Ziele zu missbrauchen. Manchmal passiert dies offen, etwa wenn ich an die zunehmenden Christenverfolgungen weltweit denke; manchmal heimlich, still und leise, wenn versucht wird, christliches Leben zu erschweren und die Existenz von Kirche in Frage zu stellen.
Wer wachsam ist, kann dann auch fest im Glauben stehen. Ich denke, wenn Paulus hier über „den Glauben“ spricht, spricht er sowohl über den Inhalt des Glaubens – die biblischen und dogmatischen Lehren, aber auch im Hinblick auf Verhaltensweisen. Wir müssen die Wahrheit des Evangeliums, die Wahrheit dessen, was die Bibel lehrt, erkennen und dann daraus folgern, dass der Glaube zu einem guten Handeln führen wird.
Deshalb werde ich in Gesprächen und Diskussionen immer nervös, wenn die Heilige Schrift infrage gestellt wird. Wenn man zu schnell sagt, dass sie nicht mehr zeitgemäß ist oder wir heute doch in einer anderen Welt leben als damals. Wirkliche Glaubenswahrheiten sind zeitlos und wenn wir unsere Fähigkeit trainieren, den Unterschied zwischen Wahrheit und Irrtum zu erkennen, dann müssen wir auch zu der erkannten Wahrheit stehen und müssen standhaft bleiben.
Ja, das braucht manchmal Mut und dazu ermutigt uns auch der Apostel. Viele Menschen haben Angst, sind unsicher, fühlen sich nicht berufen, wenn sie gegen falsche Lehre und Kompromisse Stellung beziehen sollen. Damals in Korinth wurden solche mutigen Männer und sicher auch Frauen von ihren eigenen sogenannten Mitgläubigen verfolgt, angeklagt, verleumdet und möglicherweise sogar abgelehnt.
Glaube braucht eben auch immer Mut. - Sicherlich haben wir dies mit der Zeit verlernt, da wir es ja gut im vermeintlich christlichen Abendland hatten. Aber haben sich die Zeiten nicht längst geändert? Braucht es nicht viel mehr mutigen Glauben? Im griechischen Urtext ist das Verb übrigens in der Passivform. Und dann könnte es wie folgt übersetzt werden: „lasse dich mutig machen!“ Sicherlich denkt Paulus, dass diese Frage des mutigen Festhaltens im Glauben nicht etwas ist, was wir aus unserer eigenen Stärke heraus tun können. Wir müssen von Gott stark gemacht werden. Wir müssen für den Mut und die Kraft beten, wenn alle Kräfte des Bösen gegen uns aufstehen, weil wir für das einstehen, was aus der Perspektive Gottes richtig ist.
Meine Lieben! Und dann, nach diesen auffordernden und ermahnenden Worten, folgt der Vers der Jahreslosung: (V14) „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“ Paulus wird oftmals als Hardliner bezeichnet, der das Evangelium ungnädig auslegt. Ich möchte eine Lanze für ihn brechen, denn er hat durchaus auch mit gnädigen Augen den Menschen im Blick.
Ein Beispiel: Paulus hält an der Unauflöslichkeit der Ehe fest. Aber er erlaubt den Korinthern sich dann doch scheiden zu lassen, wenn der Glaube ein Ehepaar spaltet. Und er vertritt auch die Einmaligkeit der Ehe, stellt es aber Witwen frei, erneut zu heiraten, bevor sie unglücklich werden (1. Kor. 7).
Daraus folgt für mein eigenes Handeln als Pfarrer: auf der einen Seite muss die Lehre kompromisslos in der Öffentlichkeit vertreten werden, auf der anderen Seite gibt es Einzelfälle, wo die Lehre durch die Liebe eine große Weite erfährt. Und ich denke, dass dies auch richtig so ist: was wäre es für eine Hochzeit, wenn der Pfarrer im schönsten Augenblick von Scheidung und Trennung und neuen Chancen sprechen würde. Nein: dies hat dann erst in der Seelsorge seinen Platz.
Leider wurde und wird das „Liebes-Argument“ oft missbraucht, um möglichen Streit aus dem Weg zu gehen und sich einander anzubiedern.
Meine Erfahrung aber ist, dass mit kleinen Kompromissen oftmals der Weg in die Bedeutungslosigkeit eingeschlagen wird. Oftmals sicherlich aus guten Motiven. Wenn ein Nachbar neu einzieht, der katholisch ist, muss man ja nicht gleich über die Unfehlbarkeit des Papstes diskutieren. Oder wenn ein muslimischer Freund zum Kindergeburtstag eingeladen wird, ist sicherlich nicht der Moment, um ihm zu sagen, dass gerade er Jesus braucht, um in den Himmel zu kommen.
Wenn aus solchem liebgemeinten, nachlässigen Verhalten aber die Norm wird, beginnen wir, uns von unserem eigenen Glauben zu entfernen. Für mich gipfelt dies vor allem im religiösen Kontext darin, dass um der Liebe und Ruhe willen, der Satz scheinbar zum Dogma wurde „wir glauben doch eh alle an denselben Gott.“
Ich war dankbar, als Pröpstin Kropf-Brandauer in ihrem diesjährigen Weihnachtsinterview fol-gendes Bekenntnis ablegte: „Die These, dass alle Religionen gleich seien und alle an densel-ben Gott glauben würden, ist ein Irrglaube. Aus biblischer Perspektive glauben nur Juden und Christen an denselben Gott. (HNA)“.
Wann haben Sie das letzte Mal einen Kirchenvertreter von Häresie (Irrglaube) sprechen hören? In Hanau sind wir doch seit geraumer Zeit andere Äußerungen gewöhnt – bedenklich, aber beruhigend, eine wachsame und mutige Frau in einem Leitungsamt zu erleben!
Liebe, Verständnis und Toleranz darf also niemals zur Aufgabe des eigenen Glaubens führen.
Liebe ist aber die Kraft, aus der heraus wir in allen Lebenslagen unseren Glauben bekennen sollen. Liebe hat ein großes Herz für den einzelnen, aber ein noch größeres für die Wahrheit des Glaubens.
Was würde Paulus wohl heute den Kirchen und Gemeinden in Deutschland sagen? Wacht auf! Stoppt das Schlafwandeln und erkennt die Zeichen der Zeit. Steht fest und mutig in eurem biblischen Glauben – der Glaube, der einst den Heiligen im Neuen Testament, von den Aposteln gegeben wurde.
Geschwister im HERRN! In den folgenden Versen nennt der Apostel deshalb auch einige seiner Freunde und Mitarbeiter, an denen sich die Gemeinde auch orientieren kann und soll. Es ist interessant, was er über den Haushalt von Stephanas sagte.
Stephanas und sein Haushalt hatten sich dem Dienst der Heiligen gewidmet. Ich vermute, dass sie in der Lage waren, sich ganz dem christlichen Dienst in der Kirche von Korinth zu widmen. Wahrscheinlich hatte er keine offizielle Ordination oder ein Amt, um sich zu engagieren. Und solche Menschen braucht es bis heute, denn alle arbeiten gemeinsam im Weinberg Gottes – nicht nur die Hauptamtlichen.
Paulus schließt dann seinen Brief mit den typisch persönlichen Grüßen, die in vielen seiner Briefe vorkommen. Doch inmitten seines Segens an die Korinther haben wir einen seltsamen Vers, der scheinbar wenig Herzlichkeit ausdrückt.
Es gibt wohl eine Gruppe von Menschen, die vielleicht zumindest in Korinth zur sichtbaren Kirche gehören, die er aber nicht segnet. Er verflucht sie! Können Sie sich vorstellen, dass, da er endlich zu einem herzlich abschließenden Teil seines Briefes kommt, er noch immer etwas Gift in seinem Stift hat: (V22:) „Wenn jemand den Herrn nicht liebt, soll er verworfen werden.“
Warum sollte Paulus gezwungen sein, einen so negativen Kommentar inmitten von so viel Segen und Liebe zu machen? Ich vermute, es liegt daran, dass der Apostel wusste, dass die Probleme in Korinth nicht alle auf das Konto von Gläubigen gingen, sondern Ungläubige, die sich in die Kirche eingeschlichen hatten und die die Gemeinde durcheinanderbrachten. Davon haben wir auch bereits in der Lesung gehört: (V 4:) „Denn es haben sich einige Menschen eingeschlichen, über die schon längst das Urteil geschrieben ist: Gottlose sind sie, verkehren die Gnade unseres Gottes ins Gegenteil, in Ausschweifung, und verleugnen unsern alleinigen Herrscher und Herrn Jesus Christus.“
Carissimi! Wie also gehen wir in das Jahr 2024 unter der Jahreslosung: „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“? Ich würde mir wünschen, dass wir aufwachen und wach bleiben und uns mehr über den Glauben austauschen und auch mehr über den Glauben reden, bei uns in der Kirche und hinein in die Stadt Hanau. Dass wir einen Standpunkt vertreten, an dem sich Menschen orientieren können und vielleicht wieder einen Weg zurück zur Kirche finden.
Ich würde mir wünschen, dass aus unserem Glauben eine liebende Offenheit entsteht, die Menschen anspricht. Kompromisslos im Glauben, aber zugewandt in der Liebe. So wie es schließlich auch im Judasbrief zu lesen war: „21 und bewahrt euch in der Liebe Gottes und wartet auf die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus zum ewigen Leben. 22 Und erbarmt euch derer, die zweifeln; 23 andere reißt aus dem Feuer und rettet sie; anderer erbarmt euch in Furcht, wenn ihr auch das Gewand hasst, das befleckt ist vom Fleisch.“
Und ich schließe mit Paulus: „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“ AMEN
- Es gilt das gesprochene Wort! -
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Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
vor allem Sie, liebe Konfirmations-Jubilare,
liebe Gäste im Tempel unseres Glaubens,
werte Konsistoriale im Apostelamt unserer Kirche,
1948, 1953, 1958, 1963 und 1973 wurden Sie hier oder in einer anderen Kirche konfirmiert. Die beiden ersten Jahrgänge nach dem Krieg wahrscheinlich in der Nussallee, ab 1963 und 1973 dann hier in der wieder auferbauten Kirche. Sie waren meistens große Jahrgänge – nicht wenige Ihres Jahrgangs sind bereits verstorben oder nicht mehr mobil, so dass sie heute diesen Gottesdienst nicht mit uns feiern können.
Es waren immer spannende Jahre, in denen Ihre Konfirmation stattfand: 1948 wurde Berlin durch eine Luftbrücke ernährt und der Staat Israel wurde ausgerufen, was leider nicht zum erhofften Frieden in der Region führte. Aus Dankbarkeit wurde in den USA für schwarze Soldaten die Rassentrennung beim Militär aufgehoben, erst 20 Jahre später dann in allen Bereichen.
1953 fand am 17. Juni der Aufstand in der DDR statt, Stalin starb und Elisabeth II. wurde in der Westminster Abbey gekrönt – meine Generation hat erst in diesem Jahr wieder eine Krönung in England erlebt. Fidel Castro putscht sich in Kuba an die Macht. „Lukas, der Lokomotivführer“ und „Urmel aus dem Eis“ wurden im Fernsehen aus der Augsburger Puppenkiste übertragen.
1963 wurde Kennedy ermordet, Paul VI. wurde in Rom zum Papst gewählt. Martin Luther King hielt seine bekannte Rede „I have a dream“ und Konrad Adenauer ging in Rente. Seit diesem Jahr gehört „Dinner for one“ zum festen Fernsehbestand an Silvester und das ZDF nahm seinen Betrieb auf.
1973 schließlich brachte die Ölkrise mit sich. Helmut Kohl wird Vorsitzender der CDU. Die USA wunderten sich über die Watergate Affäre, freuten sich aber über die Zwillingtürme des World Trade Centers. Und in der Bundesliga durfte endlich Trikotwerbung stattfinden und die Vereine wurden reich.
Und ohne eine große Schlagzeile wurden Sie in diesen Jahren konfirmiert. Manches kommt uns wie gestern vor, bei anderem müssen wir nachdenken, ob wir uns noch erinnern. Erinnern hat auch viel mit Gnade zu tun – zu entdecken, wie weit man es im Leben gebracht hat, was man sicherlich auch der Hilfe Gottes zu verdanken hat.
Zu diesem Gott haben wir uns alle heute Morgen aufgemacht. Wir sind gekommen in sein Haus, welches das Zentrum unserer Wallonisch-Niederländischen Kirche ist. Das ist sein Heiligtum. Das ist nicht nur ein Ort der Anbetung, sondern regelrecht eine Wohnstätte, in der die Gottheit haust, mit Türen zum Ein- und Ausgehen. Menschen haben sich das schon immer auch so vorgestellt. Schon vor urlanger Zeit. Dass ein Gott die Menschen begleiten könnte, dieser Gedanke ist innerhalb der Menschheitsgeschichte relativ jung. Bei ihm zu wohnen, in seinem Tempel, das ist einfach schön! Wie es auch im Psalm anfangs lautete: Ich möchte bleiben im Hause des Herrn – der seinen Platz in jeder Konfirmation hat.
Doch sobald wir Menschen mobil werden, sobald wir unseren Lebensraum ausweiten, Wohnungen wechseln und lange Wege gehen, brauchen wir Begleitung und dies wurde Ihnen damals als Konfirmanden auch zugesprochen.
Diese Entdeckung, dass Gott versprochen hat, uns zu begleiten, ist der Anlass für das dankbare Zurückblicken auf eine Konfirmation. Damals, vor 50, 60, 65, 70 und 75 Jahren wurden Sie konfirmiert. Sie haben damals „ja“ gesagt zu Ihrer Taufe und damit zu Gott. Im Vertrauen, dass Gott alle Wege begleitet, wo immer sie auch hinführen. Lange Wege mitunter, in entfernte Ecken unseres Landes, unseres Kontinentes, unserer Welt. Der Zeitraum, den wir überblicken, ist in seiner Art unglaublich vielfältig gewesen. Und damit meine ich Ihr Leben, nicht jenes, welches in den Geschichtsbüchern zu finden ist.
Die Ersten unter Ihnen haben das Fest gefeiert unter dem Eindruck des Krieges im Nachkriegsdeutschland. Überstanden war er, mit furchtbaren Folgen. Zerbombte Städte, kaputte Kirchen, aber das Fest der Konfirmation wurde gefeiert. Welche Ängste, welche Not war damals wohl noch in Ihnen? Gab es das Gefühl des Aufbruchs? Es gab wieder Ziele, es gab wieder die Möglichkeit, eine Zukunft zu haben.
Heute erinnern Sie sich daran. Vielleicht spüren Sie, dass Gott weite Wege mit Ihnen zurückgelegt hat. Sie haben viele Pforten, viele Türen aufgetan. Türen des Lebens waren es. Dazwischen sind es sicher hin und wieder die Pforten einer Kirche gewesen, durch die Sie gegangen sind.
Meine Lieben! Leben ist Zeit, wie es der Prediger in der Lesung sagte. Leben, das sind Bilder, die ich erinnere, Momente, die ich bewahre, Räume, die ich durchschreite. Menschen gehen von Raum zu Raum. Leben bietet Lebensraum, der nach bestimmten, nicht immer zu durchschauenden Regeln erobert und dann wieder verlassen wird. Dazwischen sind Türen, die wir mehr oder weniger energisch auftun.
Es beginnt mit der Geburt. Die erste menschliche Wohnung, der Mutterleib, wird verlassen. Wenn der Mensch Glück hat, dann findet er draußen eine gute Stube vor. Ein meist kleines
Zimmer, das allmählich zur Welt wird. Der Mensch erobert mit allen Sinnen diese Kinderzimmer-Welt. Riechen, schmecken, hören. Sehen, anfassen und begreifen. Ach, die Welt ist aufregend!
Dann aber kommt der große Tag, an dem der Mensch die erste Tür selbstständig öffnen kann. Eine neue Welt liegt vor ihm. Es ist immer die Frage, ob der Mensch, ob wir es wagen können, diese neuen Welten zu erobern. Wagen wir den Schritt über die Schwelle? Noch gibt es Eltern, die aufpassen, dass wir die richtigen Türen öffnen. Noch leben wir behütet.
Welche Türen gibt es noch in Ihrer Erinnerung? Das große Portal, das den Beginn der Schulzeit kennzeichnet, kann man nicht allein öffnen. Dazu muss die Zeit reif sein. Einschulung! Lange Gänge gibt es, merkwürdige Gerüche kennzeichnen diese Häuser. Menschen, die unterrichten. Manche werden verehrt, manche werden gefürchtet. Schuljahre, in denen dieses erste Portal dann bald selbstverständlicher Durchgang geworden war.
Irgendwann verlässt man die Schule und das Portal schließt sich. In dieser Zeit liegt auch der Gang zur Kirche, um den Konfirmationsunterricht zu besuchen. Auch eine Tür, die sich öffnet und dann wieder schließt. Man tritt hinaus und geht seinen Weg. Neue Welten liegen vor den Menschen, unterschiedliche Wege. Manch einer klopft an die Tür eines Meisters, um die Lehre zu beginnen. Oder das Lernen geht auf der Schulbank weiter, nur, dass es jetzt Studium heißt. Aber auch hier gibt es Türen, die aufgemacht werden müssen. Das Schlottern der Knie vor der Prüfung am Ende dieser Zeit, das wird wahrscheinlich in allen Jahren dasselbe geblieben sein.
Andere Türen sind aber auch wichtig. Wieder kann es die Kirche sein, in die man einzieht. Feierlich, aufgeregt und geschmückt. Frauen und Männer feiern ihre Begegnung, ihr Glück. Manch eine wird über die Schwelle getragen, hinein in einen neuen Lebensraum. An die Tür, die nun gemeinsame, wird ein neues Namensschild geschraubt. Und das Leben geht weiter. Neue Menschen werden geboren, Familien wachsen. Türen öffnen sich und schließen sich. Es kommt die Zeit, in der ich darüber nachdenken kann, durch wie viele ich gegangen bin. Mit knapper Not bin ich durch manche noch schnell gerutscht. Bei anderen bin ich froh, wenn ich nicht daran erinnert werde! Sie bedeuten Abschied, Trennung und Schmerz. Schon an manchem Grab musste ich zusammen mit Ihnen stehen.
In den letzten Jahren haben sich Türen geöffnet, von denen wir dachten, sie wären für immer zumindest in Europa geschlossen. Wir mussten nicht nur miterleben, wie Flüchtlingsströme nach Deutschland kamen, wie die Vertriebenen nach dem Krieg oder auch die Welle von Gastarbeitern. Seit fast zwei Jahren haben wir an den Außengrenzen Europas wieder Krieg in der Ukraine, bei manchem wecken die Bilder im Fernsehen unschöne Erinnerungen.
Und seit zwei Wochen wieder Krieg in Israel und Antisemitismus auf deutschen Straßen – dachten wir nicht alle, diese Zeit wäre vorbei? Dass sich in Deutschland Juden hinter ihren eigenen Türen nicht mehr sicher fühlen? Wie gerne würde ich all diese Türen verschließen und den Schlüssel wegwerfen und niemals wieder finden.
Uns allen stehen noch so manche Türen bevor. Frohe und traurige Türen - aber durch alle, wirklich alle, können wir mutig und getröstet gehen, denn unser Gott geht mit. So, wie er uns getragen, geholfen und gestützt hat - ohne dass wir oft darüber nachgedacht haben. Egal welche Türen es waren, sind und noch sein werden – zumindest in dieser Stunde dürfen wir an Vergangenes denken und wir sagen „danke“. Danke, Gott, für deine Hand, die uns hält und trägt, die uns stützt und tröstet. Die uns streichelt und immer wieder sagt: Fürchte dich nicht, ich bin bei dir, ich halte dich bei meiner Hand auf deinem Weg in die Zukunft.
Und auch über unserer Gemeinde hält Gott durch die Zeiten hindurch seine schützende und segnende Hand. Beten wir und glauben wir, auch für unsere Wallonisch-Niederländische Kirche, die – so Gott will und wir alle tatkräftig mitanpacken – eine fantastische Zukunft haben wird. Wie es eben im 92. Psalm heißt: „Der Gerechte wird grünen wie ein Palmbaum, er wird wachsen wie eine Zeder auf dem Libanon. Die gepflanzt sind im Hause des HERRN, werden in den Vorhöfen unsres Gottes grünen. Und wenn sie auch alt werden, werden sie dennoch blühen, fruchtbar und frisch sein.“
Darauf vertraue ich, davon predige ich und bezeuge es im Namen Jesu Christi. AMEN
- Es gilt das gesprochene Wort! -