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Textgrundlage aus Markus 9, 20-29:
20 Und sie brachten ihn zu ihm. Und sogleich, als ihn der Geist sah, riss er ihn hin und her. Und er fiel auf die Erde, wälzte sich und hatte Schaum vor dem Mund. 21 Und Jesus fragte seinen Vater: Wie lange ist‘s, dass ihm das widerfährt? Er sprach: Von Kind auf. 22 Und oft hat er ihn ins Feuer und ins Wasser geworfen, dass er ihn umbrächte. Wenn du aber etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns! 23 Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst! Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. 24 Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem Unglauben! 25 Als nun Jesus sah, dass die Menge zusammenlief, bedrohte er den unreinen Geist und sprach zu ihm: Du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir: Fahre von ihm aus und fahre nicht mehr in ihn hinein! 26 Da schrie er und riss ihn heftig hin und her und fuhr aus. Und er lag da wie tot, sodass alle sagten: Er ist tot. 27 Jesus aber ergriff seine Hand und richtete ihn auf, und er stand auf. 28 Und als er ins Haus kam, fragten ihn seine Jünger für sich allein: Warum konnten wir ihn nicht austreiben? 29 Und er sprach: Diese Art kann durch nichts ausfahren als durch Beten.
Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
werte Geschwister im geistlichen Amt,
wie schön ist es, in dieser reich geschmückten Kirche in ökumenischer Verbundenheit das neue Jahr zu beginnen. Ich hoffe, Sie sind alle gut in das Jahr 2020 hineingekommen. Wie war Ihr Jahreswechsel: feuchtfröhlich oder eher besinnlich? Haben Sie Brot statt Böller in den Himmel geworfen – schön klimaneutral? Und hatten Sie auch ein wenig Zeit, sich etwas für das neue Jahr vorzunehmen?
Es ist kein Geheimnis, dass neben „mit dem Rauchen aufzuhören“ auch „Abnehmen“ zu den meisten Vorsätzen in der Silvesternacht gehört. Dazu fand ich eine nette Anekdote: Eine Ehefrau kommt morgens ins Badezimmer und sieht ihren Ehemann, wie er auf der Waage stehend den Bauch einzieht. Innerlich lachend denkt sie sich: „Jetzt denkt er echt, dass er weniger wiegt wenn er die Luft anhält.“ Ironisch kommentiert sie schließlich laut: „Du weißt aber schon, dass das nichts hilft.“ Antwortet ihr Ehemann grinsend: „Klar tut es das: Nur so kann ich überhaupt die Gewichtsanzeige sehen.“
Wir Menschen sind Meister darin, uns selbst etwas vorzumachen. Wir Menschen beherrschen die Klaviatur des Lebens, wie wir am besten auch mit den unangenehmen Dingen im Leben umgehen. Und wir Menschen sind oftmals auch mit aufgesetzter Fröhlichkeit unterwegs, die nicht immer ernst gemeint ist.
Haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt, wie viele Momente, Minuten oder Sekunden Sie im neuen Jahr wirklich glücklich und fröhlich sein werden? Wenn wir einander ein „frohes neues Jahr“ wünschen, sagen wir etwas Wichtiges. Denn tatsächlich braucht es nur eine Sekunde und unser Leben kann sich grundlegend ändern – positiv wie negativ. Ein Jahr hat also 31Mio536T000 Sekunden, Momente der Lebensveränderung, in denen alles Mögliche passieren kann, hoffentlich vieles, mit dem wir glücklich werden.
Nur: was ist Glück? Warum verschenken wir Glücksklee und Glücks-Marzipan-Schweinchen zum neuen Jahr? Für viele Menschen hängt das Glück davon ab, dass sie ihr Leben im Griff haben. Sie planen und organisieren und sind zufrieden, wenn alles den Weg geht, den sie sich vorgenommen haben. Für mich klingt das mehr nach Langeweile.
Und es erinnert mich an Alexander den Großen. Als er Griechenland, Persien, Indien und viele Gebiete mehr erobert hatte, setzte er sich hin und langweilte sich, weil er noch so jung war. Langeweile führt zu falschen Entscheidungen, so dass er immer weiter Krieg führte und ausschweifend lebte. Mit gerade 32 Jahren starb er. Ob er vergiftet wurde oder sich zu Tode trank, weiß man nicht. Zumindest aber war er nicht in bester Stimmung. Für Menschen, die alles in ihrem Leben bekommen, mag das Leben zwar gut sein, aber ob sie dann auch glücklich sind, steht auf einem anderen Blatt Papier.
Die Griechen haben ein Wort für Glück: MAKARIOS. Klingt ein wenig nach Makkaroni, was zumindest Kinder glücklich macht. Dieses MAKARIOS beschreibt einen göttlichen Zustand. Und die Griechen hatten eine Menge an Göttern, die alle irgendwie übernatürliche Menschen waren: Sie machten zwar menschliche Fehler, überwanden sie aber mit göttlicher Stärke. Dieses MAKARIOS fand seinen Weg auch ins Neue Testament in die Seligpreisungen, die eigentlich eine Handreichung zum glücklichen Leben sein wollen. Eine von ihnen heißt: „Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.“
Und dies bringt mich zum Kontext der Jahreslosung für 2020. Ein Vater bringt seinen besessenen Knaben zu Jesus. Vieles hatte er schon ausprobiert, um ihn gesund zu bekommen. Eltern gehen weite Wege aus Sorge um ihre Kinder. Und nun steht der Vater vor Jesus und mit etwas Resignation bittet er ihn: „Wenn du kannst, erbarme dich seiner und hilf uns!“ Jesu erste Antwort ist etwas ironisch in meinen Augen, wenn er nachfragt: „Wenn ich kann?“ Er hat also den Zweifel sofort erkannt. Und er setzt fort: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt!“
Spätestens hier würde ich mich gerne an die Seite des Vaters stellen und Protest einlegen. Meine Lebenserfahrung und sicherlich auch Ihre ist eine andere: Man kann noch so sehr glauben und dennoch sind viele Dinge nicht möglich. Als ob Glaube der Schlüssel zum Erfolg wäre. So ein Satz muss doch zum Unglauben führen, zur Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Und so bringt es der Vater dann auch schließlich auf den Punkt – und dies ist die Jahreslosung für 2020: „Ich möchte ja gerne glauben; hilf meinem Unglauben!“
Meine Lieben! Gründe für den Unglauben gibt es ja viele, ein unheilbares Kind wie aus dem Evangelium sicherlich. Es leidet, Eltern setzen die halbe Welt in Bewegung und es kann trotzdem nicht geheilt werden. Oder zerbrechende Beziehungen: Da müht sich der eine noch ab und setzt auf Versöhnung, aber am Ende wird doch ein Schlußstrich von anderer Seite gezogen. Oder die Wegrationalisierung des Arbeitsplatzes – aller Einsatz nützt nichts, die Firma macht trotzdem dicht. Und ich könnte jetzt die Liste unendlich fortführen, wenn ich Nachrichten schaue. 31Mio536T000 Momente auch in 2020, um den Glauben verlieren zu können, nicht wahr?
Dennoch liegt aber etwas Tröstliches in der Jahreslosung. Denn sie erlaubt uns, unsere Zweifel an Gott nicht zu verdrängen. Ich habe Prediger im Ohr, die das Gegenteil behaupten. Die den Menschen weißmachen wollen, dass Schicksalsschläge und unerhörte Gebete und Bitten nicht an Gott, sondern allein am Menschen selbst liegen, dass man blind und taub sei für das Wirken Gottes, was eben anders sei, als die eigenen Wünsche.
Dem widerspricht zu allererst die Bibel selbst. Nur wenig nach den Seligpreisungen stehen nämlich folgende Verse: „7 Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. 8 Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan. 9 Oder ist ein Mensch unter euch, der seinem Sohn, wenn er ihn bittet um Brot, einen Stein biete? 10 Oder der ihm, wenn er ihn bittet um einen Fisch, eine Schlange biete?“ (Matthäus 7)
Da steht nichts von: Gott hat anderes mit dir vor. Nichts von: Du bist blind für die anderen Möglichkeiten Gottes. Du betest halt für etwas Falsches – und ich meine nun nicht den Lottogewinn oder die Weltherrschaft. Im Kontext der Jahreslosung wird um Heilung gebeten und sie geschieht auch.
So lade ich Sie alle ein, 2020 bewusst als ein Jahr des Unglaubens zu begehen. Klingt vielleicht seltsam für einen Pfarrer, aber ich stehe dazu. Geben wir dem Zweifel Raum und blenden wir nicht die Gründe aus, die in unserer Welt und in unserem Leben persönlich gegen den Glauben sprechen. Ziehen wir ruhig einmal den Glaubensbauch ein, um die Realität zu erkennen.
Aber vor allem: Halten wir die Skala unseres Glücks und unserer Hoffnungslosigkeit, unserer Erfolge und unseres Scheiterns Gott selbst vor. Wegen ihm sind wir doch heute Abend hierhergekommen. Lassen wir IHN nicht passiven Zuschauer unseres Lebens sein, den wir als den Allmächtigen bekennen. Werfen wir ihm vor die Füße, was uns belastet und zu Boden drückt. Fordern wir das Licht ein, das unsere Dunkelheit hell machen möchte. Und die guten Mächte, die uns behüten und trösten wollen – wie es im Bonhoeffer-Lied heißt, welches wir gleich singen werden.
An einer Stelle in diesem die Konfessionsgrenzen übergreifenden Lied heißt es schließlich: „Noch will das alte unsre Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwere Last. Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen das Heil, für das du uns geschaffen hast.“
So könnte aus Unglaube tatsächlich Glaube wachsen – ein Glaube, der mit Gott in 31Mio536T000 Sekunden des neuen Jahres rechnet, das Leben zum Besseren zu verwandeln. Ein Glaube, der nichts verklärt, sondern dem nackten Leben direkt ins Angesicht blickt.
Und ja, vielleicht werden wir in 31Mio535T999 Momenten enttäuscht werden, aber dann passiert die eine entscheidende, göttliche Sekunde, in der tatsächlich möglich wird, womit wir nicht (mehr) rechneten. Und zumindest das ist eine bessere Quote als beim Lottospiel – was haben wir also zu verlieren, wenn wir die Jahreslosung zu unserer Lebenslosung in 2020 werden lassen: „Ich möchte glauben, hilf meinem Unglauben!“.
Darauf vertraue ich und bezeuge es im Namen Jesu Christi. AMEN
- Es gilt das gesprochene Wort -
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zum Reformationsgedenken 2019 über Galater 5, 1-6
Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
liebe Gäste im Tempel unseres Glaubens,
werte Konsistoriale im Apostelamt unserer Kirche,
der Monat Oktober bietet in Deutschland die Gelegenheit, sich der Reformation zu erinnern. Wir tun dies wegen des 31. Oktobers, an dem die Kirche des Thesenanschlags Martin Luthers gedenkt. Dies hatte weitreichende Folgen, wie wir wissen, und beeinflusste auch die zweite Generation von Reformatoren, so Johannes Calvin.
Schon immer war und ist Calvin das Objekt verschiedener Gerüchte. Zum Beispiel habe er in Genf von der Kanzel herab einen totalen Überwachungsstaat gefordert. Und auch die Exzesse des Kapitalismus seien ein direktes Resultat seiner Predigten zu St. Pierre. Wirklich?
Die Reformation vor fünf Jahrhunderten können wir mit dem zeitlichen Abstand als Befreiungsschlag aus einem Zeitalter der Angst verstehen. Die Menschen des Mittelalters fürchteten sich vor Fegefeuer und ewiger Hölle. Die Macht der Kirche war unbegrenzt. Nach ihrem Ermessen wurden (und werden) Sünden und gute Werke gegeneinander abgewogen. Der Verkauf von Ablassbriefen ist ihr lukratives Geschäft. Gnade gibt es nicht umsonst und ohne Mühe.
Da machte der Augustinermönch Martin Luther die befreiende Erfahrung, dass Gottes Gnade bedingungslos, gratis, geschenkt sei. Eine Generation später dann trat Calvin auf den Plan. Wir haben Bilder von ihm im Kopf. Aber wer sich Calvin zum Beispiel als einen dürren Asketen vorstellt, der irrt. Ganz im Gegenteil, denn geschickt treibt er fromme Verzichtserklärungen ad absurdum: „Wenn einer bei einigermaßen wohlschmeckendem Wein bereits Bedenken hat, so wird er bald nicht einmal gemeinen Krätzer mit gutem Frieden seines Gewissens trinken können, und am Ende wird er nicht einmal mehr wagen, Wasser anzurühren.“
Am Ende, befürchtet der Reformator in einer seiner Schriften nicht ohne Ironie, komme es soweit, dass man „es für Sünde hält, über einen quer im Wege liegenden Grashalm zu gehen.“ Was leicht wie ein Grashalm daherkommt, hat grundlegende Bedeutung für Calvin. Er wußte um die allgegenwärtige Gefahr, in alte Zwänge zurückzufallen: „Sobald sich unser Gewissen einmal in diese Fesseln verstrickt hat, kommt es in ein langes und auswegloses Labyrinth hinein, aus dem sich nachher so leicht kein Ausgang mehr finden lässt.“
Meine Lieben! Wir würden lügen, wenn wir behaupteten, dass Calvin oder Calvinismus wohlklingen in fremden Ohren. Es klingt mehr nach Spaßverderber und Nüchternheit. Vielleicht zurecht, vielleicht muss man aber mehr auf die Umstände schauen, in denen Calvin damals lebte und seine Theologie entwickelte. Solche Zeiten von damals sind uns heute fremd geworden in einer säkularen Welt. Wir stecken nicht mehr fest in einem frommen Labyrinth aus Riten, Vorschriften und Drohungen.
Und so fällt es sicherlich auch schwer, Antworten auf religiöse Fragen von vor 5 Jahrhunderten ins Heute zu transportieren. Allein wenn ich in manchen Gesprächen die Lehre der „Doppelten Prädestination“ erwähne, stoße ich schon auf viel Unverständnis. Dabei klingt es für mich nach einem gnädigen Gott, der einen unverdient in den Himmel, aber eben auch unverschuldet zur Hölle fahren lässt, wo Christus uns aber nicht vergessen wird.
Nicht wenige Zeitgenossen halten diese Lehre für Blödsinn und ich würde sogar zustimmen, dass dies nicht der Kern unseres Glaubens ist. Dabei unterschied sich Calvins Predigt über die Prädestination gar nicht so sehr von der anderer Theologen seiner Zeit, die zumindest mit Höllenqualen und Fegefeuerphantasien auch die Angst der Gläubigen schürten. Was ist aber dann der Kern der reformierten Theologie?
Zum einen die Macht Gottes. Reformierte Theologen brachten wieder neu zur Geltung, dass Gott es ist, der die Macht in Händen hält und also auch über die Welt herrscht. Wenn dem so ist, so ist es konsequent, dass alles menschliche Tun immer nur Stückwerk bleibt und dass es vor Gott Bestand haben muss.
Wenn Gott Anfang und Ende ist, wie es die Bibel lehrt, so geht es um mehr als um meine Befindlichkeit und mein Können.
Es geht darum, mich so gut es geht in der Welt zurechtzufinden und einzubringen. Das mag erfolgreich, aber manches Mal auch zum Scheitern verdammt sein. Im Wissen, dass Gott aber überall die Macht in Händen hält, kann ich Mensch selbst nichts tun, um aus diesen Händen zu fallen: ich kann mir diese Zuwendung nicht verdienen und ich kann sie nicht verlieren, wie es Calvin lehrt.
Und was für den einzelnen Menschen gilt, das gilt auch für uns als reformierte Kirche: Welche Stellung hat Gott bei uns? Ist er der HERR seiner Kirche oder schönes Beiwerk? Nennen wir uns zurecht noch eine reformierte Kirche oder sind wir im Laufe der Jahrhunderte mehr zu einem Verein verkommen?
Meine Lieben! Das Zweite, was für die Reformation wichtig ist, ist der Vorrang der Bibel. Man könnte es auch die biblische Autorität nennen. Als reformierte Kirche bezeugen unsere Bekenntnisschriften, dass die letzte Autorität in unseren Entscheidungen der Bibel alleine zusteht.
Natürlich wissen wir, dass wir die Heiligen Schriften nicht blind und wortwörtlich verstehen können. Dafür ist uns der Heilige Geist gegeben, um durch seine „Brille“ die Inhalte und Wahrheit der alten Texte zu begreifen. Und das ist mir ganz wichtig: Reformierte Christen sind keine Fundamentalisten.
Wir sind aufgeklärt genug, zu erkennen, dass im Laufe der Jahrhunderte sich manche Ungenauigkeit in den biblischen Text eingeschlichen haben kann. Dass es Menschen zu allen Zeiten waren, die Texte auch veränderten, wenn es in ihre Theologie passte. Der Heilige Geist öffnet die menschlichen Herzen, damit wir Gott selbst reden hören durch sein Wort in unserer Zeit.
Deshalb macht es mich auch nicht nervös, wenn manche biblische Stelle anderen widerspricht. Und ich verliere auch nicht meinen Glauben, nur weil manche Geschichte einfach unglaublich ist.
Die gesamte biblische Botschaft ist das Entscheidende, ohne sich in einzelne Verse und Aussagen zu verlieren. Ein Kollege von mir hat es einmal so ausgedrückt: „Die Bibel ist wie ein vertrauenswürdiger Freund, auf dessen Eindrücke und Interpretationen eines wichtigen Ereignisses oder einer wichtigen Erfahrung wir vertrauen können.“
Geschwister im Herrn! Ein dritter Aspekt soll heute Morgen Gottes Gnade gewidmet sein. Gnade hört sich schon ziemlich verstaubt an, kaum einer benutzt dieses Wort noch in seiner Alltagssprache. Dabei sagt Gnade aus, dass uns Gott mehr liebt, als wir ermessen, verstehen oder wertschätzen können. Gottes Liebe ist größer als menschliche, weiter, höher und tiefer, als wir es uns vorstellen können. Und diese Liebe gilt jedem Menschen, ganz gleich, wer er ist oder wo er lebt.
Diese Liebe kann uns Menschen aber auch zur Herausforderung werden. Denn sie gilt garantiert auch all jenen Menschen, die wir selbst vielleicht nicht mögen. Und noch viel wichtiger: sie gilt auch den Menschen, die sich selbst nicht lieben. Das Wort Gnade mag antiquiert sein, aber die Liebe der Gnade ist brandaktuell. An ihr zeigt sich unsere eigene Einstellung zu unseren Mitmenschen, zu unserer Welt und ja: auch zu uns selbst.
Zum vierten – Sie haben es sicherlich schon gemerkt, ich gehe heute ein klein wenig schematisch vor: die Feier des Hl. Abendmahls. In unserer wallonisch-niederländischen Kirchenordnung ist dieses Sakrament nur zu besonderen Anlässen vorgesehen. So wundern Sie sich vielleicht, was daran wichtig sein könnte. Dabei erinnert uns reformierte Theologie daran, wie besonders wichtig die Bedeutung dieser Mahlfeier ist, ganz gleich, wie oft wir sie feiern.
Die Reformatoren waren sich auch gar nicht einig, wie oft man an den Abendmahlstisch treten sollte. Calvin selbst forderte noch die wöchentliche Feier als Zentrum des Sonntagsgottesdienstes. Nachwachsende Generation verringerten diese Forderung, so dass sich ein monatlicher oder ein quartalsmäßiger Turnus eingebürgert hat. Da können wir uns durchaus etwas bei unseren Geschwistern in der Ökumene abschauen, die mehr Wertschätzung dem gemeinsamen Brotbrechen zukommen lassen.
Nun lehrt uns die reformierte Theologie, zwei Dinge in der Abendmahlstheologie zu meiden: Rückwärtsgewandtheit und Magie. Einige durchaus fundamentale Reformierte, wie es zum Beispiel Zwingli in Zürich gewesen ist, lehrten, dass das Heilige Abendmahl nur eine reine Erinnerungsfeier an den Tod Jesu am Kreuz sei.
Da wehrt sich etwas zurecht in uns, denn der christliche Glaube fußt ja auf der Auferstehung von den Toten. Wie könnte man sich also an einen Toten erinnern, der wieder auferstanden ist? Den wir als den Lebendigen bekennen und der mit uns durch unser Leben unterwegs ist?
Andere nicht minder fundamentale Theologen glaubten, dass sich wie durch Magie Brot und Wein tatsächlich in den Leib und das Blut verwandeln, wie es etwa Thomas von Aquin lehrte. Nicht ohne Grund wurde den ersten Christen in der Urgemeinde vorgeworfen, sie wären Kannibalen, weil sie ihren Gott essen würden.
Beides ist nach calvinistischer Theologie falsch, wobei keinerlei Abendmahlslehre bewiesen werden kann. Unsere Abendmahlsfeiern sind Zeichen der Liebe Gottes. Es ist seine Art, uns in den Worten und Zeichen nahe zu kommen und sich in der Feier an unsere Seite zu stellen, wie es das „extra calvinisticum“ lehrt.
Und schließlich: die evangelische Freiheit. Davon handeln ja sowohl die heutige Lesung aus dem Kortintherbrief (1. Korinther 10, 23-33) als auch der Predigttext aus dem Brief an die Galater.
Paulus macht die Freiheit deutlich am Beispiel der Beschneidung. Da gab es in der jungen Gemeinde unter den Judenchristen in Galatien Stimmen, die lautstark und im Gegensatz zu Paulus forderten, auch Christen müssten sich beschneiden lassen. Was für jeden frommen Juden, sowohl für Jesus selbst als auch für den Apostel Paulus, ganz selbstverständlich war, weil es im Gesetz des Alten Testaments geordnet war, das machte der Apostel in seiner Verkündigung unter den Heidenchristen nicht zur Bedingung.
Im Gegenteil. Er stellt fest: „Zu dieser Freiheit von der Beschneidung hat uns Christus befreit.“ Und da steht dann das ganze Evangelium auf dem Spiel, wenn Menschen wieder anfangen, die Beschneidung einzuführen. „Wer damit wieder anfängt, verliert die ganze Freiheit“, sagt Paulus. „Dann müsste er das ganze Gesetz erfüllen, um seiner Rettung gewiss sein zu können.“ An dieser Stelle will er kein Stück weichen oder nachgeben. Dies ist das Zentrum des Evangeliums.
Wir verstehen Freiheit heute anders. Eher: „Freiheit ist, was mir Spaß macht. Ich lasse mir von niemandem verbieten, wozu ich gerade Lust habe. So frei bin ich.“ Ganz anders Paulus „Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.“
Im Glauben lassen Christen sich anbinden an Christus und erleben in solcher Anbindung christliche Freiheit, die sich tätig darin äußert, dass der Nächste im Blick bleibt. Also nicht, was mir Spaß macht oder wozu ich Lust habe, bestimmt meine Freiheit, sondern ich behalte den Nächsten im Blick und frage, was ihm gut tut.
Und so, Carissimi, bin ich wieder beim Beginn meiner Predigt angelangt: der Macht und der Gnade Gottes über alles und alle. Vielleicht hilft uns ein Bild vom Drachen im Herbst, dies zu veranschaulichen: Hoch fliegt er zu den Wolken, zum Himmel!
Fast ist man erinnert an den alten Reinhard Mey-Schlager: „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.“ Man schaut dem Drachen zu, der in großer Freiheit im Wind am Himmel hin und her fliegt.
Freiheit heißt in diesem Fall jedoch: Angebunden sein an den Drachenlenker. Wollte er den Drachen loslassen, damit die Freiheit noch größer würde, wäre der Flug jäh zu Ende. Ohne den Halt der Drachenschnur bekommt der Wind keine Kraft hinter dem Drachen.
Völlig ohne Führung ginge es also nicht in den Freiflug hinein. Der Absturz wäre vorgezeichnet. Vielleicht mag uns dieses Bild helfen, reformatorische Theologie richtig zu verstehen. Die Gnade Gottes ist es, die unser eigenes Leben und das unserer Mitmenschen am Leben erhält, nicht aber in Beliebigkeit oder Bindungslosigkeit. Sondern im festen Glauben, an den HERRN seiner Kirche, der uns durch die Heilige Schrift und das Heilige Abendmahl begleitet und stärkt, damit wir durch die Gnade uns selbst und andere ertragen und tragen können.
So können wir frei leben und atmen wie ein Drachen am Himmel, der an der Schnur angebunden ist und gerade so seine Freiheit im Flug ausleben kann. Ohne Grenzen, aber doch im Wissen: „ „Alles ist erlaubt, aber es dient nicht alles dem Guten!“ (1.Korinther 6,12).
Im Namen Jesu Christi. AMEN

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ein Neuanfang, mein letzter Familiengottesdienst in der WNG. Komisches Gefühl… noch tröste ich mich damit, dass ich ja noch einen Gottesdienst am 30.6. hier haben werde.
Wir haben gerade von den Juniorkonfirmanden gehört, welche Gefühle einen vor und beim Aufbruch begleiten können. Was begleitet einen noch so?
Umzugskartons, zerlegte Möbel, Um- und Abmeldungen…. Wo ist was hin gepackt worden? Planung und Koordination des Umzugs und die formalen Dinge, die zu erledigen sind, wenn man auch noch in ein Nachbarland umzieht - Listen für den Zoll, To-Do-Listen, abgehakte Listen, Listen mit Terminen, was wann und wer, Adresslisten,…usw.
Den Kopf bereits voll mit neuen Aufgaben, Absprachen und Bildern, Gespräche zwischen Tür und Angel: „Frau Berezynski, wir haben gehört, Sie wollen uns verlassen?“ „Ja, es stimmt.“ „Oh, wie schade… aber wie schön für Sie!“ Diese Gespräche habe ich in letzter Zeit häufig geführt. Ja, es stimmt, es geht nun bald los.
Manch einer sagt: „Das kennen Sie doch!“ Ja, da war schon einmal ein Umzug in unserem Leben, was sage ich, nicht nur einer. Unser Hund liegt dabei auf seinem Kissen zwischen all den Gegenständen, die um ihn herum aufgestapelt sind, die herumgeschoben und verlegt und wiedergesucht werden. Verwirrend sind all diese Sachen, mit denen man alles vollstellt. Er schaut sie sich an, sucht den Teppich, den gemütlichen, der bereits aufgerollt in der Ecke steht, kontrolliert, ob die Näpfe noch an der richtigen Stelle stehen.
Mir geht es da noch schlimmer, denn ich muss mich neben allem auch Formalitäten widmen, die zu erledigen sind.
„Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern [den] der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ (2. Timotheus 1,7).
Das müsste ich mir manchmal als Banner vor Augen halten. Aber ich brauche mir dann nur unseren Hund anzuschauen. Er macht es mir vor. Er ist der ruhende Pol in all dem. Er fragt sich zwar wohl auch, was das nun wieder soll?? Aber er ist unbeirrt. Er schaut uns zu, seufzt ab und zu, dreht sich und schläft auf der anderen Seite liegend weiter. Er hat das, was uns Menschen ab und an abhandenkommt: Vertrauen. Er weiß, dass, wo auch immer es hingeht, es dort schon auch etwas zum Futtern geben wird, genug zum Trinken, einen Platz zu Schlafen und sein Menschenrudel ist auch dabei. Das war immer so, warum sollte es dieses Mal denn anders sein? Die wichtigsten Dinge des Lebens waren immer da, dafür wurde gesorgt. Immer fuhr ein Kühlschrank mit, dieser wichtigste Jagdgrund für Fressbares. Und auch die flachgelegene Schlafdecke, heißgeliebt, ist immer dabei. Spazierengehen kann man überall, überall gibt es Mäuse und Kaninchen, die man jagen kann. Hundekollegen trifft man auch in allen Gegenden, und was kann einen Vierbeiner noch erschüttern, der schon viel kennengelernt hat? Man muss alles in Ruhe und Bedachtsamkeit angehen und darauf vertrauen, dass die Führung vom Boss auch klappt, dann ist man allen Lebenssituationen gewachsen. Jede Veränderung brachte neue Menschen mit sich, und vieles was früher toll war, ist jetzt auch sehr gut, nur ein wenig anders. Also, ob Nord oder Süd, ob Mitte, Inland oder Ausland, egal. Die Grundbedürfnisse und auch noch viel mehr lassen sich überall erfüllen, wenn man die Angst über Bord wirft, wenn man die Augen aufmacht für andere, gute und wichtige Dinge des Lebens. War früher neben dem täglichen Futter eine Wurst der wichtigste Lebensinhalt, so kann es heute gern auch mal Gemüse, Obst, Käse oder Brot sein, ein Hundemagen bewältigt so ziemlich alles.
Ja, und die Zweibeiner. Waren es früher eher weniger, hat er gelernt, dass es gar nicht schadet, auch kleine Zweibeiner zu erdulden, wenn sie auch ein wenig unruhiger und beweglicher sind als die Großen, aber immer wieder unglaublich gut für das leibliche Wohl sorgen. Denn in der Kita haben sie ihn gerne gefüttert, und sich gefreut, wenn er Pfötchen gegeben hat als Dank. Dann schadete es auch nicht, wenn sie in größeren Gruppen ins Büro kamen und für Leben in der Bude sorgten.
Aber nun steht der Umzug vor der Tür, und es ist schon in vielem ein Kraftakt, die notwendige Energie für alles aufzubringen. Wir haben ja gerade von den Konfirmanden gehört und gesehen, wie man sich fühlen kann, wenn man einen Neubeginn vor sich hat. Abraham mit Sara haben es gewagt, wenn auch nicht sofort, sondern im Falle von Sara, doch mit etwas Unglauben und Misstrauen im Herzen.
Ganz anders als Zachäus am Zoll, Sie kennen ihn, ihr Kinder vielleicht auch:
Zachäus
1 Und er ging nach Jericho hinein und zog hindurch. 2 Und siehe, da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich. 3 Und er begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt.
4 Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen. 5 Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: „Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren.“
6 Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden. 7 Da sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt. 8 Zachäus aber trat herzu und sprach zu dem Herrn: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück. 9 Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist ein Sohn Abrahams. 10 Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist (LK 19,1-10).
Zachäus hat ja viel falsch gemacht, er hat abgesahnt und in die eigene Tasche gewirtschaftet, sich selbst zu mehr verholfen. Und gerade deswegen stelle ich es mir umso schwieriger vor, neu anzufangen und sich zu ändern. Aber – er hat es begonnen und geschafft:
Erst hat er sich bemüht, Jesus zu sehen und zu hören, kletterte auf den Baum. Dann war seine Freude groß, als Jesus in sein Haus einkehren wollte, trotz der Überraschung und der Beschwerde der anderen. Und gegen die Bequemlichkeit, die Gewohnheit hat er sich aufgemacht und den Menschen das Vierfache zurückgeben wollen, denjenigen, die er betrogen hatte.
Wie gesagt, man muss schon etwas an Kraft investieren, wenn man sich auf den Weg macht. Das Wort „anfangen“ kommt von anpacken, anfassen, in die Hand nehmen. Neu anfangen heißt daher, das Leben selbst in die Hand nehmen. Dieser Neuanfang muss ja auch nicht immer ein Umzug sein. Oft ist es eine Lebensveränderung, ein Übergang des Lebens: von der Kita in die Schule, von einer Schule zur nächsten. Von der Schule zu Studium oder Ausbildung, vom Ledig sein zur Heirat, zur Familiengründung, wenn die Kinder erwachsen und flügge werden, wenn das Rentenalter eintritt, und dann auch noch, wenn ich als älterer Mensch zu Hause alleine nicht mehr klarkomme und eine andere Form des Wohnens gesucht werden muss. Und schließlich, wenn ein lieber Mensch stirbt. Viele Situationen lassen sich beschreiben, wo Veränderungen in unser Leben eintreten. Ich übernehme die Verantwortung für mein Leben. Ich gestalte es. Ich höre auf, darüber zu jammern, dass ich durch meine Erziehung oder durch meine Veranlagung, durch äußere Bedingungen festgelegt bin. Ich kann immer neu anfangen.
Eine andere Veränderung tritt ein, wenn ich meine Einstellungen und Handlungen ändere. Ich kann das, was mir als „Lebensmaterial“ vorgegeben ist, in die Hand nehmen und gestalten. Dieses Lebensmaterial ist meine Lebensgeschichte, es besteht aus meinen Stärken und Schwächen, meinen Erfahrungen von Geborgenheit und Selbstvertrauen, aber auch meinen Verletzungen und Kränkungen. Und so kann es auch Menschen geben, die sich noch nicht oder noch nicht so sehr oder nur halb auf Gott eingelassen haben. Es ist gut, einen solchen Partner an seiner Seite zu haben. Neu anfangen mit dem Glauben an Gott.
Gott, der einen durchs Leben begleitet. Das bedeutet, sich fallen zu lassen und zu vertrauen, dass man gehalten wird – auch wenn man stürzt. Zachäus ist von unten gestartet. Er hat sich aus einer Situation herausgearbeitet, die nicht gut für ihn und andere war und einen Neuanfang gewagt. Für mich ist es ein Neubeginn in dem Sinne, dass sich die Aufgaben zum Teil verändern werden. Vielleicht wird Zachäus noch manches vermissen, was ihm in seinem alten Dasein selbstverständlich war. Das geht mir bestimmt auch so. Ich werde zwar weiterhin auch in der neuen Gemeinde die Kinder- und Jugendarbeit machen und doch merke ich jetzt schon, dass ich die Kinder aus den Kitas oder dem Kindergottesdienst vermissen werde. Gleichzeitig natürlich auch viele nette und liebe Menschen, die ich im Laufe der Zeit hier kennengelernt habe.
Und dann kommt ein anderes Land, mit anderen Sitten und Gebräuchen. Es ist zwar nicht so exotisch - nur die Schweiz -, aber auch die Sprache ist ein wenig verändert, für jemanden aus dem Norden allemal. Aber wie Zachäus offen ist für Neues, werde auch ich offen sein für das Neue und eben auch für Land und Leute sowie die Sprache. Ich wurde in der Schweiz gefragt, wann ich denn zügele? Nachdem ich verdutzt war und fragte, wen oder was ich zügeln solle, lernte ich, dass damit der Umzug gemeint war.
Wie Hermann Hesse den Neuanfang verstanden hat, ist in seinem Gedicht „Stufen“ (1941) zu lesen:
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
Wie schön wäre es zu bleiben, wenn eine Zusammenarbeit gerade richtig intensiv wird, wenn sich ein wirklicher Kontakt entwickelt. Wenn man sich nicht nur trifft, sondern sich begegnet. Das ist oft so gewesen. Wie gut es tut, sich auf den Augenblick einzulassen. Aber das muss man eben mitnehmen, wie Zachäus, der eine Änderung wagte, verdutzt aber freudig Jesus bei sich aufnahm.
Dann könnte er gelingen, der Neuanfang im zwischenmenschlichen Miteinander – aber auch im Zusammenleben mit Gott. Denn Gott ist der Anfang und das Ende. Es lohnt sich, sich auf ihn immer wieder einzulassen, ihm das Leben anzuvertrauen – um es dann mit all seinen Höhen und Tiefen zu wagen: Weil wir es nicht allein zu leben brauchen.
Also, Kopf hoch – der Weg geht weiter! Gott gibt Gnade, - für Groß und Klein -. Wir ziehen nun bald um. Das Ziel ist gesteckt, viel schon organisiert. Gott behütet uns, Sie und mich auch. Neuer Anfang, neue Freiheit, - für Sie, für mich, für uns alle. Und das Wiedersehen wird lauter Freude sein. „Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ (2. Timotheus 1,7).
Amen

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Die Gnade des Auferstandenen und der Friede Gottes sei mit Euch allen! Halleluja!
Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
liebe Gäste im Tempel unseres Glaubens!
Frohe Ostern. Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Ja, wir feiern die Auferstehung unseres HERRN Jesu Christi und es ist ein herrlicher Morgen, um die Gegenwart unseres auferstandenen Herrn Jesus Christus hier zu erleben. Denn dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat, lasst uns froh und glücklich sein. Von der Dunkelheit haben wir uns zum Licht aufgemacht und nun umscheint es uns.
Osternacht ist neben der Christnacht die liturgisch dichteste Feier, die wir Christen haben. Während des Sonnenaufgangs haben wir hier in der Dämmerung die Texte des Ersten Bundes von Befreiung und Auszug gehört, uns dann am Osterfeuer das Osterevangelium zusprechen lassen und sind dann unter Glockengeläut in die wundervoll geschmückte Kirche eingezogen –vielen Dank unserem Küsterehepaar Grimaudo, Frau Tierling an der Orgel und den Sängern schon jetzt. (Applaus)
Hören wir einen weiteren Auferstehungsbericht aus Johannes 20, 1-18.
Meine Lieben! Ostern ist der große Tag der Christen. Der ganze Tag? Es fällt auf, dass die Osterberichte dem Beginn dieses Tages besondere Aufmerksamkeit schenken. Johannes betont, dass Maria Magdalena zum Grabe kam, als es noch dunkel war, ebenso ist den anderen Evangelisten wichtig zu sagen, dass es früh am Morgen war, als die Frauen zum Grab eilten.
Der Übergang von der Nacht zum Tag, von der Dunkelheit zum Licht hat unmittelbar mit dem zu tun, was mit Auferstehung Christi und unserer eigenen Auferweckung gemeint sein kann. Maria von Magdala war die, aus der Jesus die bösen Geister ausgetrieben hatte, in der es selbst einmal stockfinstere Nacht war. Es muss für sie wie das Aufgehen der Sonne gewesen sein, als Jesus in ihren Lebensraum eintrat und ihn hell machte.
Wenn wir in unser eigenes Leben schauen: Ist es nicht so, dass jeder Mensch, der in unser näheres Umfeld tritt und dieses beglückend ausfüllt, wie eine aufgehende Sonne ist? Wenn zwei Menschen einander als liebenswert und liebenswürdig entdecken, ist doch alles anders geworden. Es ist doch wie ein Erwecktwerden aus einem Schlaf, in dem unser Wesen bisher dahin dämmerte. Dasselbe können Eltern sagen, denen zum ersten Mal ein Neugeborenes entgegen lächelt.
Auf diesem Hintergrund dürfen wir den Bericht von der Begegnung Marias von Magdala mit dem Auferstandenen verstehen: Für sie ist die Sonne aufgegangen, überwältigender und leuchtender als es sich je zwischen Menschen ereignen kann. Das Entscheidende geschieht, als Maria mit ihrem Namen gerufen wird. Vorher waren ihre Augen blind, ihr Wesen von Traurigkeit und Leid verschlossen. Dieser ganz persönliche Anruf war es, der alles verändert hat.
Ihr Name, so ausgesprochen, wie von niemand und nie zuvor – das war die Erfüllung ihrer Sehnsucht, das war: endgültig verstanden, endgültig angenommen sein. Das war ein Wachwerden in Innenräumen, die sie noch nie zuvor gekannt hatte. Wenn wir je etwas verstehen wollen von dem, was mit Auferstehung gemeint ist, dann das eine: wir werden wie Maria mit unserem Namen gerufen, liebend und verstehend. Mit all dem, was unsere Lebensgeschichte ausmacht, mit all dem Leid, den Umwegen und Irrwegen, mit den Enttäuschungen und mit den Hoffnungen. Es wird uns gesagt, dass wir ohne Einschränkung vom höchsten Wesen erkannt sind, als Frau, als Mann verstanden, bejaht, erfüllt, dass wir die sein dürfen, die wir im Innersten sind, einmalig und doch in der Nähe aller.
Wenn sich so etwas in einem Leben ereignet – wenn die tiefste Sehnsucht erfüllt wird, dann ist es Tag geworden im Leben eines Menschen. Deshalb wurde auch Christus die „Sonne der Gerechtigkeit“ genannt.
Wir haben dazu unsere Einwände, weil wir immer noch mit unserer Finsternis konfrontiert sind, sogar noch mitten darin stecken in unserer Unsicherheit, Verlassenheit, Traurigkeit wie Maria von Magdala. Verheißen aber bleibt, dass es endgültig ganz und gar einmal Tag wird.
Die Auferstehung Jesu ist der Schlüssel für die letzte Frage des Menschen, die ihn immer wieder quält und umtreibt: Was ist nach dem Tod? Wird es ewig aus sein, d. h. ewig Nacht sein? Oder ist da noch etwas, was kommt? Das Undurchschaubare, das Endgültige, das Unumkehrbare ist es, das Angst macht. Die Erfahrung der ersten Christen war die: es gibt einen Übergang von der Finsternis zum Licht, von der Nacht zum Tag; jetzt schon.
Die frühen Christen haben diesen Übergang erlebt, als sie Christus begegneten. Ihre Überzeugung war, dass der Tod nur mehr der letzte Schritt von vielen schon getanen ist, von der Enge in die Freiheit, von der Verlassenheit in die Nähe und Geborgenheit, vom Schlaf zum Erwachen, von der Nacht in den Tag.
In Maria von Magdala sind die große Sehnsucht und die große Liebe und die große Erwartung dargestellt. Wenn wir etwas von ihr haben, heißt das: wir freuen uns auf den nächsten Tag, wir sind gespannt, was auf uns zukommen wird, wir lassen uns überraschen. Dies wird Christus tun, dessen können wir gewiss sein.
Wir haben am Osterfeuer eben gesungen: „Christ ist erstanden von der Marter alle; des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein.“ Ostern ist das Fest des neuen Mutes. Gott gibt seine Welt nicht auf, Gott schenkt Trost, immer wieder neu.
Mit dieser Hoffnung wollen wir in dieser frühen Morgenstunde Dich, lieber Max, taufen. Es gibt wohl keinen schöneren und auch früheren Moment, in dem dies geschehen kann als am Ostermorgen. Und auch wir bereits Getaufte können uns in dieser Stunde unsere Taufe neu ins Bewusstsein rufen. Auch Dich spricht heute Morgen besonders Gott an, denn dazu passend hast Du Dir aus Jesaja Deinen Taufvers ausgesucht: „Ich habe Dich bei Deinem Namen gerufen, Du bist mein!“ (Jes 43, 1). Gott hat auf Deine Antwort gewartet, die Du nun heute im „Ja“ der Taufe geben wirst.
Carissimi! Der Heidelberger Katechismus fragt: „Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben?“ Und er gibt die Antwort: „Dass wir mit Leib und Seele Jesu Christi eigen sind!“ Und zwar mit einer solchen Hoffnung im Herzen, dass sie uns zu Getrösteten und Tröstern macht. Wo auch immer wir im Leben stehen – ob es mehr Karfreitag ist oder bereits voller österlicher Freude, ob es mehr dämmrig ist oder schon die Morgenröte anbricht.
Gott spricht Dich, lieber Max, und uns alle heute Morgen besonders an. Und wenn Gott uns mit Namen anspricht, macht er diesen Ostertag zu einem wirklichen Fest- und Freudentag. „Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten?“ „Er ist auferstanden. Er ist nicht hier.“ Doch, ER ist hier – mitten unter uns und wir feiern wie damals Maria gemeinsam mit ihm das Leben. Ja, Leben, dass auch dunkle Momente und Krisen bereit hält, aber sich dennoch immer wieder nach der Zukunft ausstreckt, in der unsere Wünsche und Träume wahr werden mögen – wider den Augenschein vielleicht.
Frohe Ostern, liebe Gemeinde! Frohe Ostern dem Dorf, der Stadt, dem Land, der ganzen Welt. Urbi et Orbi! Frohe Ostern, denn der Herr ist auferstanden, er lebt! Halleluja – AMEN!
Pfr. Torben W. Telder, vdm
-es gilt das gesprochene Wort-

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Gehalten in der Epiphaniaszeit
Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
liebe Gäste im Tempel unseres Glaubens,
liebe Konsistoriale im Apostelamt unserer Kirche,
was spricht dagegen, dass der christliche Glaube ein „Märchen“ oder eine Fabel ist, wie wir es eben in der Lesung aus dem Petrusbrief (2. Petrus 1, 16-21) gehört haben? Es gibt ja bis heute Zeitgenossen, die genau das behaupten und es in vielen Büchern, Zeitschriften und Zeitungen veröffentlichen: Die biblische Botschaft ist ja auch so ungeheuerlich, dass sie immer wieder auf Unglauben und Skepsis stößt.
Selbst bei Menschen, die eigentlich für den Glauben offen sind, wird immer wieder manches in Zweifel gezogen. Und tatsächlich ist es unglaublich, aber wahr, was an Weihnachten oder an Ostern passierte: eine volle Krippe und ein leeres Grab. Beides für die Welt unglaublich, für den Glauben Realität. Glaube und Realität: In dieser Spannung bewegt sich die Religion. Sie betrifft sowohl die diesseitige, als auch die jenseitige Welt und streift dabei das Menschliche, die Wissenschaft, unser ganzes Sein und Denken. Deshalb ist der Glaube auch keine Fabel oder ein Märchen.