wng-1301-49Im Namen des Konsistoriums der Wallonisch-Niederländischen Kirche darf ich der Kathinka-Platzhoff-Stiftung ganz herzlich zur Gründung der Familienakademie gratulieren.

Der Betrieb einer Akademie ist für uns als reformierte Kirche in Hanau vertraut und auch ein wesentlicher Zug reformierter Tradition. Dafür lohnt sich ein Blick in die Geschichte: Die erste Akademie gründete der Philosoph Platon auf einem Waldstück des griechischen Helden Akademos in Athen. Daher kommt auch der Begriff „Akademie“. Es war ein Ort des Lehrens und der Begegnung, an dem vor allem die Jugend von den älteren Lehrern unterwiesen wurde, um so das griechische Erbe zu bewahren. Der akademische Betrieb erfolgte sowohl in einfachen Lehreinheiten, als auch unter anderem in gemeinsamen Mahlzeiten, Symposien und Festen.

Bis zum Mittelalter verschwand im christlichen Abendland der freie Akademiebetrieb fast gänzlich, die Klöster waren nunmehr Zentren der Forschung und Lehre. Nur mancher Königshof beschäftigte Privatdozenten, so zum Beispiel der Hof Karls des Großen in Alkuin.

Mit der Reformation wurde wieder mehr das antike Erbe entdeckt. Der Humanismus war eine seit dem 14. Jahrhundert von Italien ausstrahlende Bildungsbewegung. Gemäß des Prinzips „Ad fontes (Zu den Quellen)“ widmeten sich die Humanisten dem Studium antiker Autoren und entwickelten daraus eine kritische Haltung gegenüber der Gegenwart.

Besonders die intensive Lektüre der Bibel und der Kirchenväter fand später ihre Entsprechung im reformatorischen Schriftprinzip. Hinzu kam die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern Mitte des 15. Jahrhunderts, die eine regelrechte Medienrevolution auslöste. Die Reformatoren nutzten das neue Massenmedium, um ihre Schriften zu verbreiten.

Nicht nur um seine Theologie zu lehren und zu verbreiten, sondern auch um Bildung der interessierten Bevölkerung zugänglich zu machen, gründete Johannes Calvin 1559 die Genfer Akademie, die zur Hochschule und europaweiten Begegnungsstätte des Calvinismus wurde.

wng-1301-02Die Verantwortung für die Bildung erkannten auch unsere Glaubensvorfahren und so gründeten sie, nachdem sie 1597 nach Hanau gekommen waren, zeitnah eigene Bildungseinrichtungen, was ihnen durch die Kapitulation erlaubt worden war: Bis 1870 gab es eine holländische Kirchenschule an der Französischen Allee (wahrscheinlich Nr. 10). Die Wallonische Gemeinde öffnete bereits 1633 eine Gemeindeschule, die erst 1890 ihren Betrieb einstellte.

Ab 1684 wohl gab es dann noch eine Armenschule für die deutschsprachigen Kinder, die in der Gärtnerstraße nahe dem Bauplatz des neuen Gemeindezentrums untergebracht war. 1772 bezog die Zeichenakademie dieses Gebäude.

So ist es nun über 100 Jahre her, dass es im Umfeld der Gemeindearbeit einen organisierten Bildungsauftrag gegeben hat, weshalb es mich besonders freut, dass die Kathinka-Platzhoff-Stiftung sich dieser wertvollen Aufgabe wieder annimmt und in einem differenzierten Ziel- und Altersgruppenprogramm Menschen erreichen, mit ihnen ins Gespräch kommen und bilden möchte. Dass dieser Arbeitsbereich den Namen „Akademie“ führt, verweist auf ein reiches Erbe.

Natürlich ist eine solche Neuausrichtung auch mit Veränderungen verbunden. Offensichtlich ist das Verschwinden der Bezeichnung „Diakoniezentrum“ für die Räume innerhalb der Wallonischen Ruine. Das Diakoniezentrum wurde vor über 25 Jahren errichtet, um darin den Ambulanten Pflegedienst samt Behandlungsräumen  unterzubringen und einen Veranstaltungsraum für Begegnungen zu haben. Längst ist der Ambulante Pflegedienst in das Fischerhaus umgezogen, so dass eine Modernisierung der Bausubstanz und des Raumzuschnitts dringend notwendig geworden ist.

Zusammen mit dem neuen Gemeindezentrum werden wir in naher Zukunft dann ein umfangreiches Raumangebot haben, welches hoffentlich gemeinsam mit viel Leben gefüllt werden wird. Möge Gott das Werk unserer Hände fördern und segnen.

Torben W. Telder
Pfarrer