Im kirchlichen Leben ist jede Ordination (lat. „Beauftragung“ bzw. „Bestellung“) ein einschneidendes Ereignis. Sie stellt für alle Beteiligten ein wichtiges, identitätsstiftendes Ereignis dar. Dies gilt sowohl für den zu Ordinierenden, als auch für die Gemeinde, aus deren Mitte ein Einzelner beauftragt wird. In der Ordinationsfeier werden das Kirchen- und Amtsverständnis der jeweiligen Kirche anschaulich sichtbar. Deshalb soll an dieser Stelle aus Anlass der Ordination von Frau Pfarrerin zur Anstellung Anja Berezynksi die Ordination näher betrachtet werden. 

Seit Beginn des Christentums werden Männer und auch Frauen berufen, besondere Dienste in der Kirche wahrzunehmen. Durch die Jahrhunderte hindurch hat sich dies immer wieder verändert in der Form der Feier, aber auch im Umfang der Aufgaben.

Nach reformatorischem Verständnis sieht das Neue Testament im Volk der Glaubenden und Getauften die Kirche von Jesus Christus, den Leib Christi. Die Taufe ist Aufnahme in das weltweite Bundesvolk aller Zeiten und verpflichtet zum gemeinschaftlichen Mitwirken am Auftrag der Kirche, die durch die Ordination Menschen mit geistlichen Aufgaben betraut.

Der Auftrag der Kirche kann traditionell mit vier Grundfunktionen beschrieben werden, nämlich 1. zur Verkündigung und zum Zeugnis (martyria), 2. zum Lob Gottes (leitourgia), 3. zum Aufbau und zur Pflege der Gemeinschaft (koinonia), sowie 4. zum Dienst und zur Solidarität (diakonia). 

Alle Glaubenden und Getauften sind aufgefordert, mit den Gaben, die der Heilige Geist ihnen gibt, an diesen Aufgaben der Kirche zu partizipieren. So heißt es im Zweiten Helvetischen Bekenntnis (1566): „Um sich seine Kirche zu sammeln und zu gründen, sie zu leiten und zu erhalten, hat Gott immer Diener verwendet, bedient sich solcher auch heute noch und solange es eine Kirche auf Erden gibt. Deshalb ist Ursprung, Einsetzung und Amt der Diener von höchstem Alter und rührt von Gott selbst her, ist also nicht eine neue oder bloss menschliche Ordnung.“ 

Damit also die Kirche auch heute ihre Sendung wirksam und geordnet erfüllen kann, beruft sie Getaufte, mit ihren Gaben der Gesamtheit zu dienen. Sie repräsentieren die Kirche in ihrem jeweiligen Aufgabenbereich. Sie gehen voran und koordinieren, leiten und leiten an. 

Alle reformierten Kirchen teilen diese Überzeugung. Aus der Verkündigung der Apostel und der Kraft des Heiligen Geistes ist die Kirche geboren, die Ausrichtung des Wortes Gottes ist ihre eigentliche Sendung und am Wort Gottes hat sie selber sich fortwährend zu messen und neu auszurichten. 

Die Notwendigkeit des ordinierten Dienstes ergibt sich aus dem Wesen der Gemeinschaft selbst, wie sie durch Jesus Christus ins Leben gerufen worden ist. Weil die Kirche aus dem Evangelium lebt, weil sie berufen ist, in der Liebe zu leben, weil sie den Auftrag hat, das Evangelium weiterzugeben, weil sie Partei nehmen soll für die Leidenden, müssen Personen da sein, die für diese fundamentalen Erfordernisse die primäre Verantwortung tragen. 

Auch im Neuen Testament finden wir solche Personen. Bereits Berufung und Aussendung der Apostel machen klar, wie die Kirche auf Personen angewiesen ist. Aber das Neue Testament gibt keine eindeutige Auskunft darüber, wie diese Dienste einander und der Gemeinde zuzuordnen sind. Es sagt nichts aus über ihre Einsetzung. 

Im Gegenteil: Das Neue Testament macht widersprüchliche Aussagen über den Aufbau der ersten Gemeinden und über die Stellung, welche leitende Personen einnahmen. Diese erklären auch das unterschiedliche Amtsverständnis in den verschiedenen Konfessionen. 

Wenn die Schrift also kein einheitliches Modell der ordinierten Dienste bietet, muss jede Generation die Bedürfnisse der Kirche neu definieren und die Ordnung der Kirche neu gestalten. 

Die Anzahl der besonderen kirchlichen Dienste war und ist nicht ein für alle Mal festgelegt. Je nach Umständen und Bedürfnissen bestimmen die Kirchen die Dienste, die sie benötigen. Geschichtlich ist das dreigliedrige Amt von Bischof (Leitung, Aufsicht, Einheit), Priester und Diakon bekannt. Johannes Calvin hat eine viergliedrige Struktur vorgeschlagen mit den Pastoren, den Lehrern (docteurs), den Ältesten und Diakonen. Die Ältesten waren dabei mit der Leitung und Aufsicht betraut. Diese Struktur hat sich bis heute in der Wallonisch-Niederländischen Kirche erhalten, nicht zuletzt durch die Gründungsurkunde der Capitulation von 1597, die auch das Recht zur Ordination beinhaltet.

So stellt sich auch die Wallonisch-Niederländische Kirche in die Tradition, die seit der Zeit der Apostel besteht. Alle Ordinierten stehen „in apostolischer Sukzession“, die nach reformiertem Verständnis im Fortführen der apostolischen Verkündigung und im verbindlichen Dialog mit der Lehre der Bibel besteht. Zudem ordinieren die reformierten Kirchen nicht nur für die eigene Kirche, sondern zum Dienst in der Kirche Jesu Christi, in Verbundenheit mit der universellen Kirche und in Gemeinschaft mit allen, die das Gebet des HERRN sprechen. 

Die kommende Ordinationsfeier wird die dritte in der wieder auferbauten Kirche sein und bereits die zweite für eine Pfarrerin. Pfarrerin em. Ute Vanassa wurde 1976 ordiniert. Auf den Tag genau vor 6 Jahren wurde Pfarrer Torben W. Telder ordiniert, der der Ordination von Pfarrerin Berezynski als Ordinator vorstehen wird.

(Text unter Zuhilfenahme der Ordinationshilfe des reformierten Schweizerischen Kirchenbundes)