Liebe Brüder und Schwestern im HERRN,
liebe Gäste im Tempel unseres Glaubens,
und vor allem: liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,
nun ist er also endlich da: der Tag eurer Konfirmation. Und ich bin auch wieder da, nach einem halben Jahr Auszeit. Das ist kein Zufall, denn mir ist es wichtig, euch heute selbst zu konfirmieren und als mündige Christen in die Welt zu entlassen. Eure Konfirmandenzeit war keine einfache: kurz vor der Pandemie hatten wir wenig Gelegenheiten, uns zu treffen. Und dann das letzte halbe Jahr ohne mich, dafür mit einem bunten Strauß an anderen Pfarrpersonen, das war auch nicht „normal“. Zumindest haben wir aber die traditionelle Hollandfahrt gemeinsam unternehmen können. Und so habt ihr Zeugnis von eurem Wissen und Glauben im Vorstellungsgottesdienst geben können, wozu ich auch gerne angereist war.
Und nun heute also der Abschluss dieser gemeinsamen Zeit, feierlich in einem Gottesdienst, Ihr habt euch fein gemacht, denn dieser Tag ist wichtig. Aber wir wollen ehrlich sein. Kirche steht dieser Tage nicht mehr hoch im Kurs. Ihr habt euch trotzdem auf den Weg gemacht. Ihr habt gelernt und diskutiert, seid ab und zu in diese Kirche gekommen, während eure Freunde am Wochenende sicherlich andere, ggf. schönere Dinge erlebt haben. Und so werden wir euch sicherlich in der nächsten Zeit nicht mehr so oft unter uns sehen, aber vielleicht überrascht ihr uns ja auch vom Gegenteil. Unsere Zeit kennt viele interessante Dinge, die uns von der Kirche und dem Glauben wegziehen.
Und damit hat, so ehrlich wollen wir sein, auch das Elternhaus etwas zu tun. Eure Tischgespräche zuhause werden sich selten um religiöse Dinge drehen. Uns fehlt dazu irgendwie die Übung, was ich bedauere. Aber ich möchte uns allen kein schlechtes Gewissen machen, denn Gott ist größer als unsere Sprachlosigkeit. Gott lädt ein, er zwingt nicht. Und auch wir als Kirche und Gemeinde wollen eher eine Einladung aussprechen, als Zwang ausüben.
Mir ist bewusst, dass Kirche irgendwie aus der Zeit gefallen ist – und vielleicht auch ich als Pfarrer auch. Wer nach moderner Musik sucht, findet diese eher im Radio oder Internet. Wer nach Unterhaltung sucht, wird eher im TV oder Kino fündig. Wer etwas Gescheites essen gehen möchte, sollte dafür eher ein Restaurant aufsuchen, als sich mit Brot und Wein/Saft begnügen. Events oder Festivals werden auch woanders immer größer sein.
Und dennoch haben euch auch die Kirche und der Glaube etwas zu bieten. Die Welt wird euch nämlich immer nach eurer Leistung, eurem Aussehen, euren Erfolgen beurteilen. Gott aber sieht hinter all diese Oberflächlichkeit tief in euer Herz. Und ihr - wir alle - sind wertvolle Menschen, auch und gerade in unseren Misserfolgen, in unserem Scheitern, in unseren offenen und oftmals unbeantworteten Fragen. Gott schreibt uns nicht ab, nur weil wir in der Welt gescheitert sind,. sondern er will uns immer wieder auf die Füße stellen, damit wir weiter im Leben vorankommen.
Und für dieses Vorankommen, meine Lieben, habt ihr euch als Reiseproviant einen biblischen Vers ausgesucht, jeder und jede einen unterschiedlichen, die ich nun gerne kurz auslegen möchte.
Lieber Julian, du hast einen Vers aus dem ersten Buch der Bibel gewählt, dem Buch der Anfänge und Aufbrüche. „Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir und will dich segnen“ (1. Mose 26, 24). Das wünsche ich dir, wie euch allen: dass ihr in euren Aufbrüchen keine Angst zu haben braucht, weil Gott mit euch ist. Manchmal werdet ihr ernüchternde Erfahrungen machen, wenn Freundschaften sich in Feindschaften verwandeln, es scheint, als habe sich die ganze Welt gegen euch gestellt: Gott bleibt auf eurer Seite und hält auch dann noch schützend die Hand über euch, wenn es aussieht, als wäret ihr schutzlos der Welt ausgeliefert.
Liebe Mia, du hast dir eine moderne Übersetzung für deinen Konfirmationsvers ausgesucht. Wir finden ihn im Johannesevangelium. Dort heißt es: „Niemand liebt mehr als einer, der sein Leben für seine Freunde und seine Familie einsetzt“ (Johannes 15,13). Familie und gute Freunde sind etwas ganz Wichtiges im Leben. Sie begleiten durchs Leben, stärken und stützen uns – zumindest wenn es gut läuft. Ich weiß, als „Pupertiere“ sind euch eure Eltern manchmal peinlich und nicht immer versteht ihr, was sie eigentlich von euch wollen. Aber mal ehrlich: umgekehrt ist es nicht viel anders in dieser spannenden Zeit des Lebens. Da wird aus dem süßen Mädchen auf einmal eine junge Frau, und aus dem zurückhaltenden Jungen ein diskussionsfreudiger junger Mann. Eben war noch alles so einfach, und auf einmal ist das Leben kompliziert und doof. Liebe ist da das Band, das verbindet und Streit schlichten kann.
Lieber Johann, dein Vers hat mich etwas überrascht. Die Jugend von heute, so sagt man ja vorschnell, ist mehr mit dem Handy als dem Leben verbunden. Dagegen setzt du aber einen Vers aus dem Ersten Brief des Petrus: „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat“ (1. Petrus 4, 10). Der Vers sagt doch zweierlei. Zunächst einmal, dass jeder Mensch Gaben und Fähigkeiten hat, die ihn einmalig und wertvoll machen. Niemand gleicht dem anderen und viele Talente schlummern in euch, die noch entdeckt werden wollen. Vielleicht sogar das Talent, Pfarrer zu werden. Wer weiß, ob bereits heute der zukünftige Pfarrer unserer Kirche unter uns sitzt, ohne es zu ahnen? Oder ein Nobelpreisträger. Ich bin gespannt. Dabei wollen wir aber das Zweite nicht überlesen: Gaben sind nichts, was man für sich selbst behalten soll, sondern sie können der Allgemeinheit, der Gemeinde, der Gesellschaft einen wichtigen Dienst leisten. Bringt euch also ein, immer und überall dort, wo ihr gebraucht werdet.
Und dabei wird es nicht immer nach eurem Kopf gehen, manches sogar manchmal richtig gegen den Strich. Da ist Toleranz gefragt, so wie du, liebe Aurelia, es zuhause sicherlich auch erfährst. Oder vielleicht müsste ich eher deinen Vater fragen, als einziger Mann mit vier Frauen unter einem Dach. Im Römerbrief schreibt nämlich der Apostel Paulus: „Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat“ (Römer 15, 7). Die Familie als Keimzelle der Gesellschaft sollte uns fähig machen, tolerant und offen der Welt zu begegnen; Unterschiede auszuhalten und nebeneinander stehen zu lassen. Dem Gegenüber mit Respekt zu begegnen, auch wenn dieser nicht meiner Meinung ist. Das ist übrigens auch Kirche: eines Sinnes trotz Unterschieden zu sein. Vorgelebt hat uns dies Christus selbst, der sich mit Sündern, Verbrechern und Außenseitern, aber auch mit Bedürftigen, Gläubigen und Zweiflern an einen Tisch gesetzt hat. Genauso wie wir auch gleich das Heilige Abendmahl feiern werden: ganz gleich, wer du bist oder woher du kommst: hier in Gottes Haus an seinem Tisch bist du willkommen, weil Christus selbst jeden Einzelnen einlädt, der auf seinen Namen getauft ist.
Etwas überrascht hat mich auch dein Vers, liebe Annika. Du hast dir ein bekanntes Wort aus dem Ersten Brief des Johannes ausgesucht: „Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“ (1. Johannes 4, 16). Es ist ja vielen von uns bekannt, dass du gesundheitlich in den letzten Jahren stark belastet gewesen bist. Ich hätte da eher ein Zweifeln an Gottes Liebe und Güte bei dir erwartet. Dein Lebensbeispiel beeindruckt mich: dass du eben nicht aufgibst, sondern kämpfst. Vielleicht spürst du, dass Gott dir Kraft für diesen Überlebenskampf schenkt, Menschen in Familie und Freundeskreis an die Seite gestellt hat, die dich darin unterstützen und dich nicht aufgeben. Bewahre dir diesen Glauben, auch wenn ich jeglichen Zweifel gut verstehen könnte. Und vor allem: fordere diese Liebe ein – wie auch immer sie dann aussehen mag -, wenn Du meinst, Gott könnte dich vergessen haben.
Heilige Gottes, das war es nun fast mit meiner Predigt. Und es ist gute Sitte, dass ich am Ende immer einmal kurz auf mein eigenes Leben eingehe. Ich wurde vor 4 Dekaden an Pfingsten geboren und vor 33 Jahren in einem unbedeutenden Dorf konfirmiert. Ich hatte einen Konfirmator, der wirklich langweilig predigte, aber statt einzuschlafen, haben wir manchen Blödsinn im Gottesdienst gemacht und da flog auch dann und wann einmal ein Gesangbuch quer durch die Kirche, um für Ruhe zu sorgen.
Erst Jahre später, nach einer durchaus abwechslungsreichen Glaubensreise, ging mir ein Licht auf, was er uns eigentlich sagen wollte: Glaubt an Gott und glaubt an Euch, dann wird vieles möglich sein. Und nein, liebe Ellen, dich habe ich nicht vergessen. Aber du hast dir einen meiner Lieblingsverse ausgesucht, und er passt zum Abschluss meiner Predigt, oder besser als Rahmen um alle eure Verse. Deinen Vers finden wir im Markusevangelium. Dort heißt es: „Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt“ (Markus 9,23). Glaube kann Berge versetzen. Wenn die Menschheit nicht den Glauben durch die Jahrtausende hindurch gehabt hätte, dass das Morgen besser als das Gestern werden würde, wir würden wohl immer noch in Höhlen hausen. Der Glaube ist die Kraft, die euch antreibt, aber auch zur Ruhe kommen lässt. Dieses „alles“ werdet ihr selbst entdecken müssen. Und oftmals werdet ihr dafür einen langen Atem und viel Geduld haben müssen. Im Rückblick aber werdet ihr hoffentlich überrascht sein, wozu ihr alle fähig seid. Glaubt also an diesen Gott der Möglichkeiten, der zu allererst an euch geglaubt hat.
Auch wenn ich den einen oder anderen Glaubenszweifel immer wieder habe, ich habe noch nicht viele Tag bereut, Gott die Treue gehalten zu haben. Und dabei habe ich gespürt und gesehen, dass Gott in meinem Leben wirkt – vielleicht nicht immer so, wie ich es wollte. Aber ich habe oftmals die Augen geöffnet bekommen und durfte sehen, dass manche meiner Träume Wirklichkeit wurden. Vielleicht habt Ihr manche gute Predigt verschlafen und manch guten Gedanken im Unterricht nicht mitbekommen – Schwamm drüber. Aber wir hoffen, dass wir Euch die wesentlichen Dinge eingepackt haben für eure Lebensreise. Erinnert euch immer wieder an euren Konfirmationsspruch, meiner gibt mir Halt und Ziel: „Weise mir, HERR, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit; erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte“ (Psalm 86, 11). Darauf vertraue ich, davon predige ich und bezeuge es im Namen Jesu Christi. AMEN
Pfarrer Torben W. Telder
- Es gilt das gesprochene Wort! -