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Predigttext aus Epheser 5, 15-20:
„15 So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, 16 und kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse. 17 Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. 18 Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen. 19 Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen 20 und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.“
Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
als ich mich auf diese Predigt vorbereitete, habe ich überlegt, welche guten Nachrichten und Schlagzeilen das Jahr 2024 geprägt haben. Mir kamen die durchwachsenen Schlagzeilen ins Bewusstsein: Donald Trump wird im Wahlkampf angeschossen und später erneut zum US-Präsidenten gewählt. In Dresden stürzt die Carolabrücke ein. Die Ampel-Koalition zerbricht und der Kanzler stellt die Vertrauensfrage. In Magdeburg rast ein Auto auf dem Weihnachtsmarkt in die Menschenmenge. Und noch immer herrschen Krieg und Terror in der Ukraine und im Heiligen Land. Was ein Jahr.
Fast wäre man ja schon versucht zu sagen, es sei gut, dass die Olympischen Spiele in Paris und auch die EM in Deutschland ohne einen Terroranschlag über die Bühnen gingen – aber ist das wirklich eine gute Nachricht, wenn man damit gerechnet hätte?
Gute Nachrichten habe ich tief aus meinem Gedächtnis kramen müssen: vielleicht sind Neuwahlen doch besser als Dauerstreit. Und auch Syrien ohne Assad verspricht Zukunft, wenn alle Gruppierungen an einem Strang ziehen.
Und dann wie ein Phoenix aus der Asche: Notre-Dame strahlt wieder in Paris. Diese Nachricht passte wie keine andere in die Vorweihnachtszeit: Notre-Dame ist wieder hergestellt und geöffnet. 340.000 Menschen aus 150 Ländern haben für den Wiederaufbau gespendet – er war damit ein weltumspannendes, verbindendes Ereignis. Dass Gesellschaften mit großem Aufwand ihr kulturelles Erbe pflegen, ist und bleibt ein Hoffnungszeichen – gerade auch wenn es um eine Kirche geht, denn nicht mehr oder weniger ist Notre-Dame.
Was waren Ihre persönlichen Tiefpunkte und Highlights in 2024? Das muss ein jeder für sich beantworten. Aber für uns als Kirche kann ich sagen, dass ich von vielem positiv überrascht wurde: dass sich das neue Konsistorium so harmonisch und konstruktiv zusammengefunden hat nach der Wahl im Sommer. Dass auch manche Veranstaltung besser besucht wurde, als gedacht und geplant. Und wir sind auch nur um sechs Personen geschrumpft als Gemeinde – was natürlich negativ ist, aber im Vergleich zu anderen Kirchen ziemlich wenig – Gott sei‘s gedankt!
Und nun blicken wir nach vorne, ein neues Jahr beginnt. Dazu eine kleine Anekdote: Ein Mann auf einer Neujahrsfeier wendet sich an seinen Nebenmann und bittet um eine Zigarette. „Ich dachte, Du wolltest im neuen Jahr mit dem Rauchen aufhören?“, antwortet dieser. „Ich bin dabei, aufzugeben“, antwortet der Ertappte mit einem Grinsen. „Im Moment bin ich mitten in der ersten Phase.“ „Phase eins?“ „Ja, ich habe aufgehört, mir selbst Zigaretten zu kaufen.“
Es gibt eine Statistik mit den Top 10 Jahresvorsätzen zum Jahreswechsel:
1. mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen
2. mehr Sport zu machen
3. abzunehmen
4. mit dem Rauchen aufzuhören
5. mehr das Leben zu genießen
6. weniger Alkohol
7. Schulden abbauen
8. etwas Neues lernen
9. mehr für andere zu tun
10. aufräumen und ausmisten
Welchen von diesen Punkten haben Sie sich wohl vorgenommen? Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass bei diesen Top 10 kein einziger kirchlicher oder spiritueller Punkt dabei ist. Das finde ich schade. Dass man nicht zumindest einen Punkt für Glauben oder Gott übrighat. Der heutige Predigttext erinnert uns daran, wie wir auch unser neues Jahr leben können: Seien Sie vorsichtig, wie Sie leben, nicht unklug, sondern weise. Machen Sie das Beste aus jedem Tag, denn es gibt auch viel Böses, was uns begegnet. Und seien Sie nicht blind und taub für das, was der Wille Gottes ist.
Seien Sie vorsichtig im Leben. Seien Sie vorsichtig in der Art, wie Sie leben und rechnen Sie mit Gott. Aber wie schnell wird auch das neue Jahr uns wieder Hetze, Sorgen, Stress und vieles mehr bescheren!?! Und wenn wir so abgelenkt sind, verlieren wir nicht nur unsere guten Vorsätze aus dem Blick, sondern mancher verliert sich vielleicht selbst und fühlt sich wie ausgebrannt, kraftlos für den nächsten Tag.
Das erinnert mich noch einmal an Schlagzeilen aus 2024: Wegen fehlerhafter Verschraubung eines Kabelschuhs musste Mercedes weltweit rund 341.000 Fahrzeuge zurück in die Werkstatt rufen. Und dann der zweite Schreck: Wegen eines Softwarefehlers musste der Hersteller weltweit nochmal 260.658 Fahrzeuge zurückrufen. Auch andere Automarken hatten solche Rückrufaktionen.
Vielleicht brauchen wir alle auch dann und wann eine Rückrufaktion in Bezug auf unser Leben, weil wir nicht immer richtig funktionieren. Manchmal blockiert der innere Motor und man spielt verrückt. Denn egal, wie gut wir sind, manchmal scheitern wir und treten auf der Stelle. Dann brauchen wir das gute Wort Gottes, das uns wieder aufrichtet, Hoffnung und Perspektive schenkt. Dann brauchen wir vielleicht ein Gespür der Nähe Gottes, dass wir nicht alleine in diesem Leben unterwegs sind. Dass die Herausforderungen vielleicht nicht schnell und einfach zu bewältigen sind, aber dass wir Kraft und Durchhaltevermögen geschenkt bekommen.
Meine Lieben, dies alles können wir so oft von Gott hören und lesen, aber es scheint, dass wir, gerade in den dunklen Zeiten unseres Lebens, nicht empfänglich sind. Und so machen manche Menschen einfach immer wieder die gleichen Fehler, auch wenn sie wissen, dass es falsch ist. Und eines Tages stellen sie erschrocken fest, dass sie auf dem Holzweg sind, oder in ihrem Leben falsche Schwerpunkte gesetzt haben.
Seien Sie also vorsichtig mit Ihrem Leben im neuen Jahr und auch, wie Sie leben und rechnen Sie viel mehr mit Gott. Ich weiß, das hört sich nun durchaus fromm an. Aber braucht unsere Zeit nicht viel mehr Glauben? Könnte 2025 ein Jahr des Glaubens werden, für uns persönlich, für uns als Kirche und für uns als Land?
Viele Menschen fragen sich ja, was ihnen Religion überhaupt bringen würde. Dabei übersehen sie, dass Glaube zunächst mit ihrer Haltung gegenüber Gott und gegenüber den Mitmenschen zu tun hat. Die Bibel lehrt uns, dass, wenn wir Gott und unsere Mitmenschen lieben, auch uns Gutes widerfahren wird. Anstatt immer zuerst an sich selbst zu denken, sollten wir an Gott denken. Und dieser Blickwinkel befreit uns vielleicht auch von ewig kreisenden, negativen Gedanken um uns selbst.
Ein Psychologe schreibt: „Früher dachte ich, dass sich die Leute beschwert haben, weil sie viele Probleme hatten. Aber mit der Zeit wurde mir klar, dass sie Probleme haben, weil sie sich beschweren. Beschweren nämlich ändert nichts und macht Situationen auch nicht besser. Es verstärkt nur die Frustration, verbreitet Unzufriedenheit und Uneinigkeit und kann fast teuflisch unser Leben verwüsten.“
Wäre es nicht ein guter Vorsatz zum Jahreswechsel, als ein positiver, dankbarer Mensch die kommende Zeit zu leben? Positive Menschen bringen Licht in diese dunkle Welt, wie Jesus selbst das Licht der Welt ist und durch uns scheinen möchte.
Dabei möge uns die Jahreslosung für 2025 eine gute Richtschnur sein: Paulus schreibt in 1. Thessalonicher 5: „Prüft aber alles und behaltet das Gute.“
Dieser Satz fordert uns auf, unsere vorgefassten Meinungen zu hinterfragen. Wir sollen uns nicht von Vorurteilen leiten lassen, sondern unsere Urteile sollten auf gemachten Erfahrungen basieren. Manche Dinge muss man ausprobieren, um zu wissen, ob sie gut sind oder nicht. Das gilt auch für den Glauben. Man kann noch so viel über ihn wissen, man kann von anderen davon hören oder gute Argumente dafür erhalten. Aber wenn man den Glauben nicht selbst ausprobiert, wird man nie erfahren, ob er einem guttut. Darum ist es mir wichtig, den Glauben nicht nur zu erklären, sondern ihn als eine Art Experiment zu verstehen: wo und wie begegne ich Gott und ER mir.
Doch in der Jahreslosung steckt auch eine Warnung. „Prüft alles“ bedeutet nicht, unbedacht alles auf einmal zu versuchen. Manchmal kann man sich überfordern. Denn auch im Glauben kann es passieren, dass Menschen sich überfordern. Sie nehmen sich zu viel vor und scheitern dann. Vielleicht sagen sie danach: „Das hat mir nichts gebracht.“ Aber oft liegt das Problem nicht am Glauben selbst, sondern daran, dass man zu große Schritte gewagt hat. Kleine Schritte sind der Schlüssel, um den Glauben zu entdecken.
„Prüft alles und behaltet das Gute“ heißt auch, achtsam zu leben – und das ist der Bogen zum heutigen Predigttext. Ich sagte: Seien Sie vorsichtig im Leben. Seien Sie vorsichtig in der Art, wie Sie leben und rechnen Sie mit Gott. Fragen wir uns also: Tut mir das, was ich tue, wirklich gut? Hilft es mir, mein Leben zu gestalten? Lässt es mich wachsen, menschlich und im Glauben?
Unser Glaube ist ein Wagnis, das in kleinen Schritten angegangen werden sollte. Auch 2025 kommt nicht auf einmal, sondern in 365 Tagen zu uns. Der Glaube nimmt mir Angst, er tröstet mich, und er lässt Dankbarkeit in mir wachsen, all diesen Tagen begegnen zu können und gewachsen zu sein.
Gott behüte und segne das neue Jahr und all Ihr Tun und Lassen. AMEN

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Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
vor allem Ihr, liebe Jubelkonfirmandinnen, liebe Jubelkonfirmanden,
werte Gäste im Tempel unseres Glaubens,
liebe Konsistoriale im Apostelamt unserer Kirche!
1964, 1959, 1954 und 1949 wurden Sie hier oder in einer anderen Kirche konfirmiert. Das sind die Jahre, in denen 1949 unsere Bundesrepublik gegründet wird, Rosinenbomber gen Berlin eine Luftbrücke bilden und die Nato Schutz für die westliche Welt verspricht. Der Roman 1984 von George Orwell wird veröffentlicht.
1954 kommt die Krim zur Ukraine, in den USA wird die Rassentrennung an den Schulen aufgehoben, Theodor Heuss wird als Bundespräsident wiedergewählt, Burger King eröffnet sein erstes Restaurant und Deutschland wird mit Sepp Herberger in Bern Weltmeister – ein Wunder. Angela Merkel wird geboren.

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Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
vor allem Ihr, liebe Konfirmanden,
werte Gäste im Tempel unseres Glaubens,
liebe Konsistoriale im Apostelamt unserer Kirche!
Als ob es gestern gewesen wäre. Ihr erinnert Euch sicher auch noch. Da hattet Ihr Euren ersten Kindergartentag – mancher in der Dammstraße, mancher woanders. Da hattet Ihr wohl auch Tränen in den Augen, weil Ihr Euch von Eurer Mama oder Eurem Papa vielleicht für einen ganzen Tag verabschieden musstet. Aber viele von Euch wurden dann in den Armen von Miriam Trapani getröstet, die auch wieder mit uns auf Konfifahrt war. Dann begann der Ernst des Lebens: mit einer Schultüte und einem vielleicht viel zu großen Schulranzen ging es in die Schule.
Und dann begann der Konfirmandenunterricht. Bei Euch vor vier Jahren in der Corona-Zeit, so dass wir am Anfang gar nicht viel Zeit miteinander verbringen konnten. Aber als wir dann richtig eingestiegen sind, musstet Ihr Euch daran gewöhnen, dass ich zu jedem Unterrichtsbeginn erst einmal abgefragt habe, was Ihr denn in der Schule gerade in Religion durchnehmt. Überrascht bis erschrocken war da meistens meine Reaktion.

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Liebe Gemeinde,
besonders natürlich Sie,
lieber Herr Keller und alle Johanniter,
Gäste im Tempel unseres Glaubens,
als ich mich auf diesen Gottesdienst vorbereitete und nach einem passenden Bibeltext suchte, wurde ich von zwei Fragen geleitet: soll es um Leitung und Aufgabenverteilung gehen oder soll es ein Erinnern an die Nächstenliebe sein, die der Ursprung der johannitischen Bewegung im diakonischen Bereich bildet. Ich habe mich für letzteres entschieden, und ein Gleichnis Jesu ausgesucht, welches wir alle wohl kennen und auch die Aufgabenverteilung berührt, aber hören wir es zunächst selbst, es braucht ja gar nicht viel Erläuterung:
Im Lukasevangelium 10. Kapitel, heißt es: Die Frage nach dem ewigen Leben. Der barmherzige Samariter
25 Und siehe, da stand ein Gesetzeslehrer auf, versuchte ihn und sprach: Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe? 26 Er aber sprach zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du?

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Liebe Schwestern und Brüder im HERRN,
liebe Gäste im Tempel unseres
Glaubens,
nun ist das neue Jahr schon einige Tage alt. Es steht unter der Jahreslosung: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Wir haben diesen Vers im Kontext eben als Predigttext gehört.
Einige Ansprachen, Andachten und Predigten habe ich mittlerweile dazu gehört. Und viele gingen vor allem um eines – und um es zu verdeutlichen, habe ich mir einmal eine Requisite mitgebracht: Man muss halt manchmal die rosa Brille aufsetzen, um die Welt lieb zu zeichnen. Man muss in Liebe fünf auch einmal gerade sein lassen und vor allem Liebe verzeiht doch alles und trägt nichts nach. So hat es ja auch Paulus im Hohenlied der Liebe im selben Brief an die Korinther geschrieben.
Aber sind wir einmal ehrlich: wir können nicht immer mit einer rosa Brille im Leben herumlau-fen. Und so schön es wäre, in einer Welt voller Liebe zu leben, die Realität ist eine andere. Hat dies der Apostel Paulus etwa übersehen? Ist er etwa blind vor Liebe vor den Herausforderungen?
Ich bin der Jahreslosung im Kontext gefolgt und stellte etwas Erschreckendes fest. Hierin geht es gar nicht um Flower-Power und Friede, Freude, Eierkuchen. Ganz im Gegenteil – Paulus hat ein ernstes Anliegen.
Um das zu verdeutlichen, ist mir ein verstorbenes Gemeindeglied eingefallen, das mir über Jahre hinweg zur Herausforderung wurde. Sie litt an einer seltenen Krankheit: Narkolepsie – eine Art Schlafkrankheit. Bei ihr äußerte sie sich, dass sie plötzlich von einer Schlafattacke heimgesucht wurde.
Dies konnte sogar mitten während eines Gesprächs passieren. Aber auch während eines Spaziergangs auftreten. Zum Glück hatte sie einen Rollator und lief dann einfach mit geschlossenen Augen und fast ohne Bewußtsein weiter. Es ist nie etwas passiert, aber was wäre gewesen, wenn sie einmal vor ein Auto gelaufen oder in den Main gefallen wäre?
Vielleicht hatte der Apostel solche Menschen im Blick, als er seinen Brief formulierte. Nicht kör-perlich Betroffene, sondern Menschen mit einer spirituellen Schlafkrankheit: sie liefen irgend-wie durch ihr Leben und verschliefen doch die christliche Botschaft.
Spirituelle Schlafwandler sind sich oft der spirituellen Gefahren, die sie umgeben, völlig unbe-wusst, und was sie nicht wissen, kann ihnen und anderen schaden.
Das war es, worüber sich der Apostel Paulus bei den Korinthern beklagte, als er seinen ersten Brief an sie Mitte 50 n. Chr. abschloss. Ich stelle mir vor, dass er sich, als er den Brief abschloss, überlegte, was er seinen Geschwistern im Glauben sagen solle, um zu verhindern, dass sie noch weiter von Christus entfernten.
Denn die Gemeinde in Korinth war durchaus eine Herausforderung: Es gab Streit darum, wann eine Taufe gültig sei und ob es vom Taufenden abhinge. Dann gab es Ärger um das Heilige Abendmahl: während manche nichts mehr zu essen bekamen, waren andere schon satt und betrunken, bevor die Mahlfeier überhaupt anfangen konnte. Sie nahmen es mit der Moral nicht so ernst und nach damaligen Verständnis gab es einige Ausschweifungen. Und vor allem relativierten sie den Kreuzestod Christi und stellten ihre eigene Weisheit über Gott und waren auch noch stolz darauf.
Da muss sich der Apostel doch gedacht haben, dass diese Korinther einen sehr leichten Blick auf ihr geistliches Leben nahmen und vor allem dass sie wie Schlafwandler durch das Leben gingen, als gäbe es keine wirklichen Gefahren für ihren eingeschlagenen Weg des Glaubens.
Und deshalb beginnt unser heutiger Predigttext mit seiner Aufforderung: (V.13) „Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark!“ Aufwachen hieß es für die Korinther und ich meine, dass auch für unsere Zeit, in der alle Kirchen und Gemeinden sich in einer Krise oder Umbruchszeit befinden, diesen Ruf zur Wachsamkeit nötig haben.
Denn die Kirche in Korinth ging verschlafen ihren Weg durch ihr geistiges Leben und er-kannte dabei nicht, dass diese Welt und die unsichtbare spirituelle Welt voll von Versuchungen und ja, so möchte ich es nennen: auch böser Geister war. Sie waren geistig nicht wachsam gewesen. Ihr laxer Umgang mit dem Christentum und die geistlichen Gefahren in ihrem heidni-schen Klima hatten zu Stolz, Spaltungen unter ihnen, Cliquen, Rechtsstreitigkeiten, Götzen-dienst, Ausschweifungen und dem Missbrauch spiritueller Gaben und der Verwicklung in fal-sche Lehren geführt.
Deshalb ermahnt er die Korinther: „Seid auf der Hut und aufmerksam, steht im Glauben, seid mutig und stark! Und lasst alles, was ihr tut, in Liebe geschehen.“ Dieses „seid wachsam“ gilt bis heute. Denn die Welt, die uns umgibt, mit ihren politischen und wirtschaftlichen Systemen, versuchte und versucht noch immer – vielleicht stärker denn je – den christlichen Glauben an den Rand zu drängen oder für eigene Ziele zu missbrauchen. Manchmal passiert dies offen, etwa wenn ich an die zunehmenden Christenverfolgungen weltweit denke; manchmal heimlich, still und leise, wenn versucht wird, christliches Leben zu erschweren und die Existenz von Kirche in Frage zu stellen.
Wer wachsam ist, kann dann auch fest im Glauben stehen. Ich denke, wenn Paulus hier über „den Glauben“ spricht, spricht er sowohl über den Inhalt des Glaubens – die biblischen und dogmatischen Lehren, aber auch im Hinblick auf Verhaltensweisen. Wir müssen die Wahrheit des Evangeliums, die Wahrheit dessen, was die Bibel lehrt, erkennen und dann daraus folgern, dass der Glaube zu einem guten Handeln führen wird.
Deshalb werde ich in Gesprächen und Diskussionen immer nervös, wenn die Heilige Schrift infrage gestellt wird. Wenn man zu schnell sagt, dass sie nicht mehr zeitgemäß ist oder wir heute doch in einer anderen Welt leben als damals. Wirkliche Glaubenswahrheiten sind zeitlos und wenn wir unsere Fähigkeit trainieren, den Unterschied zwischen Wahrheit und Irrtum zu erkennen, dann müssen wir auch zu der erkannten Wahrheit stehen und müssen standhaft bleiben.
Ja, das braucht manchmal Mut und dazu ermutigt uns auch der Apostel. Viele Menschen haben Angst, sind unsicher, fühlen sich nicht berufen, wenn sie gegen falsche Lehre und Kompromisse Stellung beziehen sollen. Damals in Korinth wurden solche mutigen Männer und sicher auch Frauen von ihren eigenen sogenannten Mitgläubigen verfolgt, angeklagt, verleumdet und möglicherweise sogar abgelehnt.
Glaube braucht eben auch immer Mut. - Sicherlich haben wir dies mit der Zeit verlernt, da wir es ja gut im vermeintlich christlichen Abendland hatten. Aber haben sich die Zeiten nicht längst geändert? Braucht es nicht viel mehr mutigen Glauben? Im griechischen Urtext ist das Verb übrigens in der Passivform. Und dann könnte es wie folgt übersetzt werden: „lasse dich mutig machen!“ Sicherlich denkt Paulus, dass diese Frage des mutigen Festhaltens im Glauben nicht etwas ist, was wir aus unserer eigenen Stärke heraus tun können. Wir müssen von Gott stark gemacht werden. Wir müssen für den Mut und die Kraft beten, wenn alle Kräfte des Bösen gegen uns aufstehen, weil wir für das einstehen, was aus der Perspektive Gottes richtig ist.
Meine Lieben! Und dann, nach diesen auffordernden und ermahnenden Worten, folgt der Vers der Jahreslosung: (V14) „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“ Paulus wird oftmals als Hardliner bezeichnet, der das Evangelium ungnädig auslegt. Ich möchte eine Lanze für ihn brechen, denn er hat durchaus auch mit gnädigen Augen den Menschen im Blick.
Ein Beispiel: Paulus hält an der Unauflöslichkeit der Ehe fest. Aber er erlaubt den Korinthern sich dann doch scheiden zu lassen, wenn der Glaube ein Ehepaar spaltet. Und er vertritt auch die Einmaligkeit der Ehe, stellt es aber Witwen frei, erneut zu heiraten, bevor sie unglücklich werden (1. Kor. 7).
Daraus folgt für mein eigenes Handeln als Pfarrer: auf der einen Seite muss die Lehre kompromisslos in der Öffentlichkeit vertreten werden, auf der anderen Seite gibt es Einzelfälle, wo die Lehre durch die Liebe eine große Weite erfährt. Und ich denke, dass dies auch richtig so ist: was wäre es für eine Hochzeit, wenn der Pfarrer im schönsten Augenblick von Scheidung und Trennung und neuen Chancen sprechen würde. Nein: dies hat dann erst in der Seelsorge seinen Platz.
Leider wurde und wird das „Liebes-Argument“ oft missbraucht, um möglichen Streit aus dem Weg zu gehen und sich einander anzubiedern.
Meine Erfahrung aber ist, dass mit kleinen Kompromissen oftmals der Weg in die Bedeutungslosigkeit eingeschlagen wird. Oftmals sicherlich aus guten Motiven. Wenn ein Nachbar neu einzieht, der katholisch ist, muss man ja nicht gleich über die Unfehlbarkeit des Papstes diskutieren. Oder wenn ein muslimischer Freund zum Kindergeburtstag eingeladen wird, ist sicherlich nicht der Moment, um ihm zu sagen, dass gerade er Jesus braucht, um in den Himmel zu kommen.
Wenn aus solchem liebgemeinten, nachlässigen Verhalten aber die Norm wird, beginnen wir, uns von unserem eigenen Glauben zu entfernen. Für mich gipfelt dies vor allem im religiösen Kontext darin, dass um der Liebe und Ruhe willen, der Satz scheinbar zum Dogma wurde „wir glauben doch eh alle an denselben Gott.“
Ich war dankbar, als Pröpstin Kropf-Brandauer in ihrem diesjährigen Weihnachtsinterview fol-gendes Bekenntnis ablegte: „Die These, dass alle Religionen gleich seien und alle an densel-ben Gott glauben würden, ist ein Irrglaube. Aus biblischer Perspektive glauben nur Juden und Christen an denselben Gott. (HNA)“.
Wann haben Sie das letzte Mal einen Kirchenvertreter von Häresie (Irrglaube) sprechen hören? In Hanau sind wir doch seit geraumer Zeit andere Äußerungen gewöhnt – bedenklich, aber beruhigend, eine wachsame und mutige Frau in einem Leitungsamt zu erleben!
Liebe, Verständnis und Toleranz darf also niemals zur Aufgabe des eigenen Glaubens führen.
Liebe ist aber die Kraft, aus der heraus wir in allen Lebenslagen unseren Glauben bekennen sollen. Liebe hat ein großes Herz für den einzelnen, aber ein noch größeres für die Wahrheit des Glaubens.
Was würde Paulus wohl heute den Kirchen und Gemeinden in Deutschland sagen? Wacht auf! Stoppt das Schlafwandeln und erkennt die Zeichen der Zeit. Steht fest und mutig in eurem biblischen Glauben – der Glaube, der einst den Heiligen im Neuen Testament, von den Aposteln gegeben wurde.
Geschwister im HERRN! In den folgenden Versen nennt der Apostel deshalb auch einige seiner Freunde und Mitarbeiter, an denen sich die Gemeinde auch orientieren kann und soll. Es ist interessant, was er über den Haushalt von Stephanas sagte.
Stephanas und sein Haushalt hatten sich dem Dienst der Heiligen gewidmet. Ich vermute, dass sie in der Lage waren, sich ganz dem christlichen Dienst in der Kirche von Korinth zu widmen. Wahrscheinlich hatte er keine offizielle Ordination oder ein Amt, um sich zu engagieren. Und solche Menschen braucht es bis heute, denn alle arbeiten gemeinsam im Weinberg Gottes – nicht nur die Hauptamtlichen.
Paulus schließt dann seinen Brief mit den typisch persönlichen Grüßen, die in vielen seiner Briefe vorkommen. Doch inmitten seines Segens an die Korinther haben wir einen seltsamen Vers, der scheinbar wenig Herzlichkeit ausdrückt.
Es gibt wohl eine Gruppe von Menschen, die vielleicht zumindest in Korinth zur sichtbaren Kirche gehören, die er aber nicht segnet. Er verflucht sie! Können Sie sich vorstellen, dass, da er endlich zu einem herzlich abschließenden Teil seines Briefes kommt, er noch immer etwas Gift in seinem Stift hat: (V22:) „Wenn jemand den Herrn nicht liebt, soll er verworfen werden.“
Warum sollte Paulus gezwungen sein, einen so negativen Kommentar inmitten von so viel Segen und Liebe zu machen? Ich vermute, es liegt daran, dass der Apostel wusste, dass die Probleme in Korinth nicht alle auf das Konto von Gläubigen gingen, sondern Ungläubige, die sich in die Kirche eingeschlichen hatten und die die Gemeinde durcheinanderbrachten. Davon haben wir auch bereits in der Lesung gehört: (V 4:) „Denn es haben sich einige Menschen eingeschlichen, über die schon längst das Urteil geschrieben ist: Gottlose sind sie, verkehren die Gnade unseres Gottes ins Gegenteil, in Ausschweifung, und verleugnen unsern alleinigen Herrscher und Herrn Jesus Christus.“
Carissimi! Wie also gehen wir in das Jahr 2024 unter der Jahreslosung: „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“? Ich würde mir wünschen, dass wir aufwachen und wach bleiben und uns mehr über den Glauben austauschen und auch mehr über den Glauben reden, bei uns in der Kirche und hinein in die Stadt Hanau. Dass wir einen Standpunkt vertreten, an dem sich Menschen orientieren können und vielleicht wieder einen Weg zurück zur Kirche finden.
Ich würde mir wünschen, dass aus unserem Glauben eine liebende Offenheit entsteht, die Menschen anspricht. Kompromisslos im Glauben, aber zugewandt in der Liebe. So wie es schließlich auch im Judasbrief zu lesen war: „21 und bewahrt euch in der Liebe Gottes und wartet auf die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus zum ewigen Leben. 22 Und erbarmt euch derer, die zweifeln; 23 andere reißt aus dem Feuer und rettet sie; anderer erbarmt euch in Furcht, wenn ihr auch das Gewand hasst, das befleckt ist vom Fleisch.“
Und ich schließe mit Paulus: „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“ AMEN
- Es gilt das gesprochene Wort! -