Pfarrer Telder und Pfarrerin Lübke machten sich Anfang Oktober auf eine Pilgrim-Fahrt nach Coventry, in der Nähe von Birmingham in England. Eingeladen hatte das Versöhnungs-Werk der Kathedrale von Coventry.
Nach der Zerstörung der Kathedrale von Coventry in der Nacht vom 14. auf den 15. November 1940 durch deutsche Bombenangriffe ließ der damalige anglikanische Dompropst Richard Howard die Worte „father forgive“ („Vater vergib“) in die Chorwand der Ruine meißeln. Diese Worte bestimmen das Versöhnungsgebet von Coventry, das die Aufgabe der Versöhnung in der weltweiten Christenheit umschreibt.
Auf dem Altar der neu gebauten Kathedrale in Coventry steht das originale Nagelkreuz, eingefasst in ein kunstvolles größeres. Es wurde aus Zimmermannsnägeln zusammengefügt, welche die Balken des Deckengewölbes der alten Kathedrale zusammengehalten hatten. Im Chorraum der alten Kathedrale steht ein Kreuz aus den verbrannten Dachbalken. Aus den Überresten der Zerstörung wurden so zwei Symbole geschaffen, die den Geist der Vergebung und des Neuanfanges ausdrücken wollen.
Dies gilt auch für die gesamte Kirchenanlage. Der Grundstein für die neue Kathedrale direkt neben der zerstörten gothischen Kathedrale wurde 1956 von Queen Elizabeth gelegt. Die Einweihung der neuen Kathedrale erfolgte am 25. Mai 1962. Zu diesem Anlass wurde Benjamin Brittens War Requiem uraufgeführt. Ruine und neue Kathedrale bilden eine Kirche und sind durch ein Dach miteinander verbunden.
Das Nagelkreuz aus Coventry steht heute als Zeichen der Versöhnung an vielen Orten der Welt, wo Menschen sich unter diesem Kreuz der Aufgabe stellen, alte Gegensätze zu überbrücken und nach neuen Wegen in eine gemeinsame Zukunft zu suchen. Das Versöhnungsgebet wurde 1959 formuliert und wird seitdem an jedem Tag um 12 Uhr in Coventry und in aller Welt gebetet.
In Deutschland wurde das Nagelkreuz von Dompropst Howard aus Coventry nach dem Krieg in die von englischen Bomben zerstörten Städte gebracht als ein Zeichen für die in Christus geschehene und auch verfeindeten Völkern eröffnete Versöhnung und für den Neuanfang, der daraus entstehen kann. Kiel war 1947 die erste Kirche und gibt bis heute davon Zeugnis. Träger des Nagelkreuzes werden Nagelkreuzzentren oder -gemeinschaften genannt. Weltweit gibt es über 160 davon.
Eines der Nagelkreuze wurde 1988 als Zeichen der Versöhnung der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin gespendet, die ebenfalls durch Luftangriffe zerstört wurde und wegen der architektonischen Konzeption (Erhaltung als Ruine und benachbarter Neubau) als „Schwesterkirche“ der Kathedrale von Coventry angesehen wird.
In den derzeit 55 Nagelkreuzzentren in Deutschland engagieren sich Menschen, in konkreten Situationen friedensstiftend und versöhnend zu wirken, den Dialog zwischen Jungen und Alten, Eingesessenen und Fremden zu fördern, Geschichte aufzuarbeiten und Verständnis füreinander zu gewinnen. Seit diesem Jahr ist auch die Wallonisch-Niederländische Kirche Mitglied der Deutschen Nagelkreuzgemeinschaft.
Im kommenden Jahr wird Canon David W. Porter, Mitglied des Domkapitels und Beauftragter für die Versöhnungsarbeit, am 19. und 20. März in unserer Kirche zu Gast sein und uns offiziell das Nagelkreuz im Rahmen eines Gottesdienstes und Vortrages überreichen.
Bereits jetzt hat der Theologische Ausschuß begonnen, Angebote zu planen, die den Versöhnungsgedanken von Coventry regelmäßig in den Gemeindealltag fließen lassen könnten.
Theologische Randbemerkung
Dem aufmerksamen Besucher wird es nicht entgangen sein: an der Kanzel hängt passend zum Pultbehang ein kleiner Streifen Stoff. Böse Zungen behaupten, das Geld sei wohl knapp gewesen. Aber weit gefehlt: das ist bewusst so! Zur Erklärung: In Predigtkirchen war (und ist) es üblich, auf der Kanzel statt auf dem Abendmahlstisch eine Groß-Bibel hinzulegen. Entsprechend überdimensioniert ist dann auch das Lesezeichen, welches über den Kanzelrand hing und anzeigte, an welcher Stelle ungefähr der Predigende in der Bibel war. Der kleine Streifen Stoff erinnert also daran, dass Predigt immer auf der Bibel fußt.
Auch kam die Frage auf, was denn das „IHS“ bedeutet? Es ist das Christusmonogram und wird verschieden übersetzt: im Deutschen zum Beispiel mit „Jesus, Heiland, Seligmacher“ oder im Lateinischen mit Iesus Hominum Salvator („Jesus, der Retter des Menschen“). Und wer nun Angst hat, das wäre katholisch: IHS befindet sich auch auf dem Reformationsdenkmal in Genf unter der Figur von Calvin.
Das Versöhnungs-Werk von Coventry-Cathedral
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